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Geplante Änderungen beim Prostitutionsgesetz:Gewissenlose Freier im Visier

Strafen für Freier und eine genauere Kontrolle von Bordellen: Die große Koalition will das Prostitutionsgesetz verschärfen und damit vor allem gegen Zwangsprostitution vorgehen. Was genau geplant ist - und ob Änderungen überhaupt notwendig sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ist Deutschland "zum Paradies für Freier und zur Vorhölle für viele Prostituierte geworden", wie es Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) an diesem Dienstag in Berlin drastisch formulierte? Die große Koalition will jedenfalls einiges am Prostitutionsgesetz ändern und so vor allem gegen Zwangsprostitution vorgehen.

Was will die große Koalition am Prostitutionsgesetz ändern?

Das Ziel ist klar: "Wir wollen Frauen vor Menschenhandel und Zwangsprostitution besser schützen und die Täter konsequenter bestrafen", heißt es im Koalitionsvertrag auf Seite 104. Doch was heißt das konkret? Folgende Änderungen sind geplant:

  • Strafen für Freier: Wenn sie die Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen, sollen Freier künftig bestraft werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass diese "wissentlich und willentlich", wie es im Koalitionsvertrag heißt, die Zwangslage der Prostituierten ausnutzen. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl betonte zudem, dass die Regelung nicht so weit gehen soll wie in Frankreich, wo alle, die zu einer Prostituierten gehen, künftig eine Geldstrafe zahlen sollen: "Eine generelle Bestrafung von allen Freiern wird nicht erwogen", sagte er.
  • Schärfere Kontrollen von Bordellen: In Deutschland kann jeder ein Bordell eröffnen, ohne besondere Genehmigung. Die Koalition will nun eine "Erlaubnispflicht für Bordellbetriebe" einführen. Durch die offizielle Zulassung sollen im Vorfeld, aber auch für den laufenden Betrieb bessere Kontrollmöglichkeiten geschaffen werden.
  • Verbot von "Flatrate-Sex": Auch besonders ausbeuterische Geschäftspraktiken wollen Union und SPD abschaffen. Das sagte CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dies sei jedoch nicht explizit im Koalitionsvertrag festgelegt. Als verwerflich gilt beispielsweise die sogenannte "Sex-Flatrate", bei der Bordellbesucher für einen bestimmten Betrag mit so vielen Frauen ins Bett gehen können, wie sie möchten.
  • Leichterer Erhalt eines Aufenthaltsrechts für Zwangsprostituierte: Bislang bekommen Opfer von Zwangsprostitution nur ein Aufenthaltsrecht in Deutschland, wenn sie vor Gericht gegen die Täter aussagen. Das soll jetzt nicht mehr unbedingt notwendig sein. Nun soll es auch ausreichen, wenn sie einen Beitrag zur Aufklärung leisten und im Strafverfahren mitwirken - die Zwangsprostituierten müssen damit nicht mehr unbedingt ihren Peinigern vor Gericht gegenübertreten.

Wie ist Prostitution im Moment geregelt?

Seit 2002 hat Deutschland eines der liberalsten Prostitutionsgesetze weltweit. Die rot-grüne Koalition hatte die Prostitution damals als normalen Beruf anerkannt. Prostitution galt damit nicht mehr als sittenwidrig. Auch das Betreiben von Bordellen war damit nicht mehr strafbar, solange die Betreiber ein angemessenes Arbeitsumfeld bieten, in dem keine Ausbeutung stattfindet. Durch die Neuerung wollte die Bundesregierung vor allem die Lage der Sexarbeiterinnen verbessern - und einen unproblematischen Zugang zur gesetzlichen Kranken- und Sozialversicherung schaffen. Auch vor dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes 2002 waren Prostituierte sozialversicherungsrechtlich nicht schutz- und rechtlos, betont das Familienministerium in einem Bericht zum Gesetz. Doch wäre der Zugang vorher de facto viel schwieriger gewesen. Durch den Straftatbestand der "Förderung der Prostitution" hätten Bordellbesitzer die Sexarbeiterinnen nicht angemeldet, weil sie sich selbst der Gefahr der Strafverfolgung ausgesetzt hätten.

Kritiker monieren allerdings, dass die Liberalisierung des Gesetzes gerade auch fragwürdigen Angeboten wie dem "Flatrate-Sex" Tür und Tor geöffnet habe. Zudem seien seitdem die Kontrollmöglichkeiten zu gering. Jede durchschnittliche Imbissbude werde derzeit besser kontrolliert als eine Prostitutionsstätte, sagte Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU) am Dienstag in Berlin.

Was ändern Strafen für Freier?

Ob die neuen Regelungen dazu taugen, Zwangsprostitution zu bekämpfen, ist umstritten. So dürfte es im konkreten Fall schwierig werden, einem Freier nachzuweisen, dass ihm die Zwangslage einer Prostituierten tatsächlich bewusst war. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sprach von Fällen von "erkennbarer Zwangsprostitution", etwa wenn eine Prostituierte mit Gewalt vorgeführt werde oder erkennbar unter Drogen stehe.

SPD-Vizechefin Manuela Schwesig sagte, unabhängig vom Problem der Nachweisbarkeit wäre ein solcher Straftatbestand ein "wichtiges Zeichen". Widmann-Mauz, sagte, viele Männer würden sich mehr Gedanken über die erbrachte Dienstleistung machen, wenn sie wüssten, dass sie auch dafür belangt werden können.Welche Strafe genau Freiern droht, ist bislang noch offen.

Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen kritisiert, dass der neue Straftatbestand anders als gewünscht wirken könne. So würden die meisten Fälle von Zwangsprostitution oder Menschenhandel durch Selbstanzeige und durch Hinweise von Kolleginnen, aber auch Freiern aufgedeckt. Diese Form der Aufdeckung falle dann wohl weg: "Zur Anzeige bringt das dann doch kein Kunde mehr, wenn er sich selber damit strafbar macht!", gab Johanna Weber vom Berufsverband zu Bedenken.

Kann noch mehr für Zwangsprostituierte getan werden?

Die Grünen kritisieren, dass die geplante Reform des Prostitutionsgesetzes nicht weit genug geht. "Der Opferschutz fehlt völlig. Da gibt es keine Vorschläge", sagte Fraktionsvize Ekin Deligöz den Ruhr Nachrichten. Wenn man den Zwangsprostituierten wirklich helfen wollte, müsse man ihnen "die Möglichkeit eines Neustarts in Deutschland geben, mit Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis". Auch die SPD hatte während der Koalitionsgespräche dafür plädiert, Zwangsprostituierten ein bedingungsloses Aufenthaltsrecht zu gewähren. Sie verwies dabei auf Erfahrungen aus den USA, wonach Opfer erst dann aussagen, wenn sie sicher sein können, dass sie im Land bleiben dürfen und Schutz bekommen.

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