ProfilSalome Surabischwili

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„Ich bleibe Ihre Präsidentin“, schrieb Salome Surabischwili bei Facebook.
„Ich bleibe Ihre Präsidentin“, schrieb Salome Surabischwili bei Facebook. (Foto: Irakli Gedenidze/REUTERS)

Präsidentin von Georgien, die nicht aufgeben will.

Von Silke Bigalke

Eine Frau, die sich an ihr Präsidentenamt klammert. Klingt irgendwie vertraut. Doch Salome Surabischwili hat noch einen besseren Grund als Machthunger, um zu bleiben. Die georgische Staatschefin vertraut dem Gremium, das sie Mitte Dezember ersetzen möchte, schlicht und ergreifend nicht. Nach der umstrittenen Parlamentswahl im Oktober hat sie allen Grund dazu. „Ich bleibe Ihre Präsidentin“, schrieb sie am Samstag an alle Georgier gerichtet auf Facebook. Viele dürfte das gefreut haben.

Denn den Menschen, die in Georgien gerade um ihre Zukunft fürchten, macht die Präsidentin Mut. Sie ist zur inoffiziellen Anführerin einer pro-europäischen Bewegung geworden, die Mehrheit der Georgier wünscht sich den EU-Beitritt. Auf der anderen Seite steht die Regierungspartei Georgischer Traum, die das Land in den vergangenen Monaten immer weiter weg vom Westen und immer tiefer in eine Autokratie gezogen hat. Regierung gegen Volk, Präsidentin gegen Regierung, Europa oder Russland – in Georgien entscheidet sich gerade das Schicksal einer Nation.

Die Regierungspartei ist schon länger ihre Gegenspielerin

Als in den vergangenen Tagen wieder Tausende in Tiflis protestierten, ging Salome Surabischwili mit auf die Straße. Sie hat die Fotos davon auf Instagram veröffentlicht: die Präsidentin, volksnah trotz Personenschützer. Sie läuft auf die Schilde der Polizisten zu, die den Protest eindämmen sollen. Kurz zuvor hatte der Premierminister angekündigt, die Gespräche mit Brüssel für vier Jahre auf Eis zu legen.

Die Partei Georgischer Traum ist schon lange Surabischwilis große Gegenspielerin. Als die Regierungspartei das sogenannte „russische Gesetz“ verabschiedete, legte die Präsidentin ein Veto ein. Das Gesetz soll angeblichen ausländischen Einfluss sichtbar machen. Tatsächlich ist es ein Instrument, um die Zivilgesellschaft zu lähmen. Für Brüssel war es Grund genug, Georgiens Status als Beitrittskandidat im Juni auszusetzen. Als Surabischwilis Veto von der Parlamentsmehrheit überstimmt wurde, klagte sie vor dem Verfassungsgericht gegen das Gesetz.

Im Raum steht der Vorwurf, dass Stimmen gekauft wurden

Sie klagte auch gegen das Ergebnis der Parlamentswahl im Oktober, hat eine Annullierung beantragt. Im Raum steht der Vorwurf, dass Stimmen gekauft, erpresst, gefälscht worden seien. Das Europaparlament hat Tiflis bereits aufgefordert, die Wahl zu wiederholen. Streng genommen dürfte das Parlament gar nicht tagen, solange Surabschwilis Beschwerde nicht entschieden ist, sagen Rechtsexperten. Trotzdem haben die Abgeordneten schon mal den Wahltermin bestimmt: Am 14. Dezember soll erstmals nicht das Volk über einen neuen Präsidenten abstimmen. Stattdessen entscheidet eine Wahlversammlung aus regionalen Vertretern und ebendiesem Parlament, das Surabschwili nicht anerkennt.

Vielen erscheint klar, wer dann gewinnt: der Kandidat der Regierungspartei. Surabischwili will also bleiben, bis ein legitim gewähltes Parlament sie ersetzen kann. Oder sie wiederwählt, ihre Kandidatur hat sie längst angekündigt. Ihr steht jedenfalls ein ganz anderer Wahlkampf bevor als vor sechs Jahren. Damals wurde Surabischwili noch vom Georgischen Traum und dessen mächtigem Gründer Bidsina Iwanischwili unterstützt. Jetzt ist sie dem Oligarchen, der dem Westen vorwirft, Georgien in einen Konflikt mit Moskau zu treiben, ein Dorn im Auge.

Überhaupt hat Surabischwili eine bewegte Politikerinnenvergangenheit. Sie kam vor 72 Jahren in Paris zur Welt, ihre Großeltern waren 1921 vor der Roten Armee aus Georgien geflohen. Für Frankreich arbeitete Surabischwili dann auch als Diplomatin, als sie mit 34 Jahren erstmals nach Georgien kam. 2003 wurde sie als Botschafterin nach Tiflis entsandt, dort wurde die französische Diplomatin zur georgischen Außenministerin. Surabischwili kämpfte von Anfang an dafür, dass Georgien irgendwann zur EU gehört.

Sie selbst hat lange nach ihrem Platz gesucht, galt im Volk als Vertreterin der Mächtigen, unter den Mächtigen als Querulantin. Erst mit ihrem Widerstand gegen die repressive Regierungspolitik nahm sie viele Menschen für sich ein, wurde zur Verteidigerin der Zivilgesellschaft. Und zur Frau für Europa.

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