Georgien:Regierung greift hart gegen Opposition durch

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Er soll bewusstlos geschlagen worden sein und dann festgenommen: Nika Gwaramia, Führer der georgischen Partei Koalition für den Wandel, wird am Mittwoch umringt von Polizisten. (Foto: Formula TV/ REUTERS)

Die georgische Führung lässt Parteiräume der Opposition durchsuchen. Ein führender Oppositioneller wird nach Angaben der Partei geschlagen und festgenommen.

In Georgien gehen die Behörden mit zunehmender Härte gegen die Opposition vor. Der führende Oppositionspolitiker Nika Gwaramia ist nach Angaben seiner Partei bewusstlos geschlagen und von der Polizei festgenommen worden. Die größte Oppositionspartei des Landes teilte am Mittwoch ein Video auf dem Kurznachrichtendienst X, in dem mehrere Personen zu sehen sind, die einen reglosen Mann an Armen und Beinen halten und wegbringen. Den Angaben zufolge handelt es sich dabei um den Vorsitzenden der Oppositionspartei Koalition für den Wandel, Gwaramia. Er sei körperlich attackiert und bewusstlos von der Polizei in einen Wagen gezerrt worden, heißt es in dem Begleittext zum Video. Von der Polizei war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Georgische Medien berichteten außerdem, dass eine Reihe von Büroräumen und Wohnungen der Opposition in Tiflis und anderen Städten durchsucht worden sei. Darunter sei eine Jugendorganisation der Partei Vereinte Nationale Bewegung. Fünf ihrer Mitglieder seien festgenommen worden. Parteichefin Tina Bokutschawa sagte, dass Iwanischwilis „russische Omon in unsere Häuser und Wohnungen eindringt“. Sie meint damit den Chef der Regierungspartei, Bidsina Iwanischwili, der hinter dem autoritären und russlandfreundlichen Kurs der Regierung steht. Omon ist der Name der russischen Spezialkräfte.

Der Ministerpräsident sagt, es handele sich eher um „Prävention als Repression“

Die georgische Präsidentin Salome Surabischwili, die sich auf die Seite der Opposition geschlagen hat, rief auf X „dringend unsere Partner“ dazu auf, Druck auf die Regierungspartei Georgischer Traum auszuüben. „Seid nicht zu spät“, schrieb sie. Ministerpräsident Irakli Kobachidse rechtfertigte am Mittwoch dagegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Es handele sich eher um „Prävention als Repression“, sagte er.

Die Kaukasusrepublik Georgien steht nach der Parlamentswahl Ende Oktober vor einer Zerreißprobe zwischen pro-russischen und pro-europäischen Kräften. Die Regierung hatte in der vergangenen Woche die EU-Beitrittsgespräche bis Ende 2028 ausgesetzt und damit anhaltende Massenproteste ausgelöst, gegen die die Polizei auch gewaltsam vorgeht. Die Europäische Union hatte Georgien vor einem Jahr den Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt, ihn jedoch im Juni wegen mehrerer umstrittener Gesetze eingefroren. Mehrere US-Senatoren bezeichneten die Entscheidung der georgischen Regierung, für mehrere Jahre keine Beitrittsverhandlungen mit Brüssel zu führen, einen „Verrat an der Bevölkerung“.

Bei der Wahl im Oktober hatte die Regierungspartei Georgischer Traum überraschend deutlich gewonnen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellte allerdings ein Klima der Einschüchterung fest und sprach auch von Stimmenkauf und Betrugsfällen. Die Bündnisse der Oppositionsparteien erkennen die Wahlergebnisse nicht an und boykottieren das Parlament. Präsidentin Surabischwili fordert, dass die Abstimmung innerhalb eines Jahres wiederholt wird. Allerdings hat das Verfassungsgericht erst am Dienstag die Ergebnisse bestätigt.

Der georgisch-orthodoxe Patriarch Ilia II. forderte ein Ende der Gewalt. An Demonstrierende wie auch an die Sicherheitskräfte appellierte er, die Gesetze zu achten, wie das Portal Orthodox Times am Mittwoch berichtete. Politische Position bezog der Patriarch nicht. Er äußerte sich aber in der Vergangenheit durchaus positiv zu einem EU-Beitritt des Kaukasuslandes. So hatte er vor einem Jahr betont, die Beziehungen zwischen Georgien und der EU könnten eine gegenseitige Bereicherung darstellen und Georgien seine reichen christlichen Traditionen in die europäische Gemeinschaft einbringen.

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