Nachdem die georgische Führung Beitrittsgespräche mit der EU abgesagt hat, haben sich mehr als hundert aktive georgische Diplomaten in einem offenen Brief dagegen ausgesprochen. Sie bezeichneten die Entscheidung als verfassungswidrig, sagte ein Diplomat am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.
Am Donnerstagnachmittag hatte der nationalkonservative Ministerpräsident Irakli Kobachidse den EU-Beitrittsprozess für gestoppt erklärt. Vor Ende 2028 werde Georgien nicht mit Brüssel über einen Beitritt verhandeln und bis dahin auch keine Haushaltszuschüsse der EU annehmen. Er wertete Kritik der EU am zunehmend autoritären Kurs der Regierungspartei Georgischer Traum als unangemessenen Druck auf sein Land.
In der Hauptstadt Tiflis protestierten am Abend nach der Bekanntgabe Tausende Menschen gegen diese Entscheidung. Sie versammelten sich im Zentrum am Parlamentsgebäude. Einige Demonstranten versuchten dem georgischen Innenministerium zufolge, Metallabsperrungen vor dem Parlament niederzureißen. Ein Großaufgebot bewaffneter Polizisten riegelte öffentliche Gebäude ab. Auch aus den Städten Batumi, Kutaissi, Gori und Sugdidi wurden Kundgebungen mit proeuropäischem Tenor und Hunderten Teilnehmern gemeldet.
Zahlreiche Menschen bei Protesten verletzt, darunter auch führende Oppositionspolitiker
Die Polizei setzte Wasserwerfer, Pfefferspray und Tränengas gegen maskierte Demonstranten ein. Nach Angaben des Innenministeriums vom Freitag wurden 43 Menschen festgenommen. 32 Polizisten seien verletzt worden. Die Koalition für den Wandel, das größte Oppositionsbündnis des Landes, erklärte, zwei ihrer Vorsitzenden seien während der Proteste von der Polizei angegriffen und verletzt worden. Das Bündnis rief zu weiteren Protesten für diesen Freitag auf.
Auch Staatspräsidentin Salome Surabischwili schloss sich dem Protest in Tiflis an. Sie appellierte an die Sicherheitskräfte, nicht gegen die Demonstranten vorzugehen. Zugleich forderte sie eine Wiederholung der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl von Ende Oktober. Offiziell wurde dort ein Sieg der Regierungspartei Georgischer Traum erklärt.
Die frühere Sowjetrepublik Georgien hatte im Dezember 2023 gemeinsam mit der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Das Verhältnis verschlechterte sich aber rapide, weil die Regierungspartei zunehmend europakritisch agierte und angeblichen ausländischen Einfluss im Land beschränken will. Die angestrebte Kontrolle über die Zivilgesellschaft ähnelt dabei den Methoden in Russland. Auch Brüssel stoppte deshalb die Annäherung vorerst.
Meinungsumfragen zufolge unterstützen rund 80 Prozent der Menschen in Georgien eine EU-Mitgliedschaft ihres Landes. Auch die Opposition will am Europakurs festhalten. Sie wirft der Regierung vor, der Wahlsieg sei durch Manipulation erreicht worden.