Süddeutsche Zeitung

Georgien:Parlamentswahlen nicht anerkannt

In der Schwarzmeer-Republik fordert die Opposition eine erneute Abstimmung und ruft zu Protesten auf. Beide Lager reklamieren den Sieg für sich, es droht ein schwerer politischer Konflikt.

Nach der Parlamentswahl in der Schwarzmeer-Republik Georgien droht dort ein schwerer politischer Konflikt. Die Opposition erklärte am Sonntag in der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi), das Wahlergebnis nicht anzuerkennen, und forderte Neuwahlen. Laut Zentraler Wahlkommission lag die Regierungspartei Georgischer Traum nach Auszählung von mehr als 95 Prozent aller Wahllokale mit 48,1 Prozent der Stimmen vorn. Es folgte demnach die größte Oppositionspartei Vereinte Nationale Bewegung mit 27 Prozent. Sie rief zu Protesten auf. Schon kurz nach Schließung der Wahllokale am Samstagabend reklamierten beide Lager den Sieg für sich. Der Chef der Regierungspartei, Multimilliardär Bidsina Iwanischwili, sagte georgischen Medien zufolge, seine Partei habe "die Wahlen zum dritten Mal in Folge gewonnen".

Dagegen sprach der in seiner Heimat per Haftbefehl gesuchte Ex-Präsident Michail Saakaschwili vom Triumph der Opposition. Diese müsse "nun eine Regierung der nationalen Einheit bilden". "Oder wir verlieren das Land." Eigene politische Ambitionen habe er nicht, ihn interessiere kein einziges Amt. Iwanischwili und Saakaschwili dominieren seit Jahrzehnten die Politik des in EU und Nato strebenden Lands. Der in der Ukraine lebende Saakaschwili war von 2004 bis 2013 Präsident Georgiens. International bekannt wurde er, als er 2008 Georgien in den August-Krieg gegen Russland führte. Nach der Abwahl wurde er wegen Amtsmissbrauchs zu Haft verurteilt - in Abwesenheit, weil er geflohen war. Iwanischwili steht in der Kritik, Korruption zu begünstigen. Nika Melia von der Vereinten Nationalen Bewegung sagte: "Es war keine Wahl, es war ein Krieg, und wir haben den Krieg nicht verloren." Das Misstrauen der Opposition wurde verstärkt, weil in der Nacht lange keine ersten offiziellen Ergebnisse vorlagen.

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SZ vom 02.11.2020 / dpa
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