Georgien-Konflikt:Russisch-amerikanische Beziehungen kühlen ab

Der Georgien-Konflikt belastet das Verhältnis zwischen Moskau und Washington zunehmend: Die USA erwägen nun sogar die Auflösung des Nato-Russland-Rats.

Der Konflikt um Südossetien belastet zunehmend die russisch-amerikanischen Beziehungen. Die USA erhoben wegen der russischen Militäraktion in Georgien schwere Vorwürfe gegen Moskau und erwägen nun ein Ende des Nato-Russland-Rats, in dem die 26 Nato-Staaten und Moskau seit 2002 eng zusammenarbeiten.

Georgien-Konflikt: US-Außenministerin Condoleezza Rice drohte Russland bei weiteren Angriffen mit internationaler Isolation

US-Außenministerin Condoleezza Rice drohte Russland bei weiteren Angriffen mit internationaler Isolation

(Foto: Foto: AFP)

Der neue US-Botschafter bei der Nato, Kurt Volker, sagte der ARD in Brüssel zu einer möglichen Auflösung des Gremiums: "Ich denke, wir müssen das in Betracht ziehen." Die Nato-Außenminister werden auf Antrag der USA am kommenden Dienstag in Brüssel über Unterstützung für Georgien beraten, sagte Volker. Auch gehe es darum, "was das jetzt für die Beziehungen der Nato zu Russland bedeutet".

Es gebe viele Nato-Staaten, die wegen des russischen Vorgehens in Georgien "sehr besorgt" seien, sagte der US-Botschafter. Es sei "unglücklich" gewesen, dass Russland das Fehlen eines klaren Zeitplans für den Nato-Beitritt Georgiens als "Unentschlossenheit" ausgelegt habe.

Zuvor hatte die US-Regierung bereits deutlich härtere Töne angeschlagen. So warf sie den russischen Streitkräften vor, vor ihrem Rückzug georgische Militäreinrichtungen wie Flugplätze zu sabotieren. Ein Regierungsvertreter in Washington sagte der Nachrichtenagentur AP unter Berufung auf Augenzeugenberichte, die Russen hätten offenbar die Absicht, die bereits angeschlagenen Streitkräfte Georgiens weiter zu lähmen.

US-Außenministerin Condoleezza Rice drohte Russland bei weiteren Angriffen in Georgien mit internationaler Isolation. Rice hat auf ihrem Weg in die georgische Hauptstadt Tiflis einen Zwischenstopp in Frankreich eingelegt, um mit Präsident Nicolas Sarkozy über die Kaukasuskrise zu beraten. Moskau steht nicht auf ihrem Reiseplan.

Verteidigungsminister Robert Gates sagte in Washington, die USA wünschten sich gewiss keinen neuen Kalten Krieg. Im Gegenteil: Die USA hätten sich im gegenwärtigen Konflikt "ziemlich" zurückgehalten. Die Ereignisse der nächsten Tage und Monate würden den künftigen Kurs in den beiderseitigen Beziehungen bestimmen. Wie zuvor Außenministerin Condoleezza Rice betonte aber auch Gates, dass das Verhalten Russlands aus seiner Sicht Konsequenzen nach sich ziehen müsse.

Gates machte trotzdem deutlich, dass die USA ein militärisches Eingreifen im Georgien-Konflikt ihrerseits derzeit nicht für nötig halten. Nach den verfügbaren Informationen seien die Flughäfen in Georgien offen für Hilfstransporte, die Straßen nicht blockiert, "und anscheinend ziehen sich die russischen Kräfte in die Konfliktzonen zurück", sagte er.

Die USA hätten 45 Jahre sehr hart daran gearbeitet, einen militärischen Konflikt mit Moskau zu vermeiden, und sie sähen "keinen Grund, diesen Ansatz heute zu ändern", sagte der Pentagonchef vor Journalisten.

Wie indes bekannt wurde, hat Russland den Abzug seiner Truppen aus Georgien verschoben. Ein Datum für einen Abzug der russischen Truppen sei noch nicht festgelegt, sagte der Vizechef des russischen Generalstabs, Anatoli Nogowizyn. Der französische Botschafter in Paris, Eric Fournier, erklärte derweil in Tiflis, die russische Armee habe zugesagt, sich am Freitag aus der georgischen Stadt Gori zurückzuziehen.

Das Parlament in Tiflis beschloss indes den bereits angekündigten Austritt Georgiens aus der von Russland dominierten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Die Abgeordneten folgten damit einem Antrag von Präsident Michail Saakaschwili. Die GUS ist ein loser Zusammenschluss früherer Sowjetrepubliken mit nunmehr elf Mitgliedstaaten.

Vor der UN-Abrüstungskonferenz kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Vertretern beider Länder. Georgien habe Russland "gravierende Verstöße gegen das internationale humanitäre Völkerrecht" vorgehalten, teilte das Beratungsgremium der UN nach Abschluss seiner Sitzung mit. Im Gegenzug habe Russland Georgien der "ethnischen Säuberung" und des Völkermords bezichtigt.

Auch nach der Waffenstillstands-Vereinbarung vom Dienstag hätten russische Truppen weitere georgische Gebiete besetzt und Zivilisten angegriffen, hieß es demnach von georgischer Seite. Der russische Vertreter kündigte die Vorlage von Dokumenten an, die die mutwillige Vertreibung von Osseten aus der Krisenregion durch georgisches Militär belegten.

Das russische Militär habe so viele zivile Ziele angegriffen, dass es sich dabei nicht nur um sogenannte Kollateralschäden handeln könne, sagte der georgische Vertreter, Giorgi Gorgiladze. Als Beispiel nannte er den Marktplatz der georgischen Stadt Gori. Ziel der georgischen Seite sei es gewesen, "die Sicherheit der friedlichen Bevölkerung gegen Handlungen des abtrünnigen Regimes von Südossetien zu verteidigen". Die russische Seite habe den Konflikt indes zu einer "Invasion" genutzt, sagte Gorgiladze.

Nur einer lässt sich von dem Konflikt, der weltweit die Politik beschäftigt und zig Millionen Bürger in den Ex-Satellitenstaaten der Sowjetunion beunruhigt, nicht aus der Ruhe bringen: Nach einigen harschen Worten gegen Moskau reist US-Präsident George W. Bush am Freitag wie geplant für zwei Wochen in die Idylle seiner texanischen Ranch nach Crawford - zum Urlaubmachen.

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