Georgien:EU fordert Zurückziehung des umstrittenen Gesetzes

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Am Dienstagabend gingen Medienberichten zufolge wieder Tausende Menschen in der georgischen Hauptstadt Tiflis gegen das neue Gesetz auf die Straßen. (Foto: GIORGI ARJEVANIDZE/AFP)

Das georgische Parlament hatte am Dienstag das sogenannte "russische Gesetz" verabschiedet. Der EU-Außenbeauftragte Borrell sieht den EU-Beitritt gefährdet.

Die EU pocht auf die Streichung des umstrittenen georgischen Gesetzes zur Einstufung bestimmter Organisationen als "ausländische Agenten". "Wir fordern die georgischen Behörden dringend auf, das Gesetz zurückzuziehen", heißt es in einer Erklärung des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und des EU-Erweiterungskommissars Olivér Várhelyi. "Die Verabschiedung dieses Gesetzes wirkt sich negativ auf die Fortschritte Georgiens auf dem Weg in die EU aus."

Das georgische Parlament hatte am Dienstag für das Vorhaben votiert, gegen das es zuletzt in der Hauptstadt Tiflis und anderen Städten massive Proteste gegeben hatte. Das von der Opposition und Teilen der Zivilgesellschaft kritisierte Gesetz sieht vor, dass sich Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Finanzmittel aus dem Ausland erhalten, als "Agenten ausländischer Einflussnahme" registrieren lassen müssen. Kritiker sehen Parallelen zu einem ähnlichen Gesetz in Russland, mit dem der Kreml dort gegen Opposition und Zivilgesellschaft vorgeht. Die Regierung in Tiflis verteidigt das Vorhaben als Stärkung von Transparenz und nationaler Souveränität.

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Auch die Nato bewertet das Gesetz als Schritt in die falsche Richtung. "Wir fordern Georgien auf, seinen Kurs zu ändern und das Recht auf friedlichen Protest zu respektieren", sagte ein Nato-Sprecher.

Das georgische Fernsehen übertrug am Dienstag Handgemenge zwischen Abgeordneten der Regierungspartei und der Opposition, die sich während der Debatte über den Gesetzentwurf gegenseitig schubsten und wütend gestikulierten. Vor dem Parlament hatten sich etwa 1000 Demonstranten versammelt. Ihnen stand ein Großaufgebot der Polizei gegenüber. Diese setze auch Wasserwerfer ein. Die Proteste dauern seit Wochen an. Zum Teil kamen dabei Zehntausende Menschen zusammen. Damit handelt es sich mit um die größten Proteste in Georgien seit der Wiedererlangung der Unabhängigkeit von Moskau im Jahr 1991.

Der Streit um das Gesetz gilt als richtungsweisend dafür, ob Georgien, das eigentlich gute Beziehungen zum Westen pflegt, weiter - wie von der Regierungspartei "Georgischer Traum" propagiert - auf eine Mitgliedschaft in EU und Nato hinarbeitet oder die Beziehungen zu Russland verstärken will. Die EU, die Georgien im Dezember den Status eines Beitrittskandidaten zuerkannt hatte, hat wiederholt erklärt, das Gesetz werde ein Hindernis für die weitere Integration des Landes in die Gemeinschaft darstellen. Die USA, Deutschland, Italien, Großbritannien und Frankreich haben Georgien aufgefordert, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Russland hat jede Einflussnahme in der Sache zurückgewiesen.

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