Süddeutsche Zeitung

CSU:Fraktionsvize der Union lässt sein Amt ruhen

Georg Nüßleins Beraterfirma soll 660 000 Euro Provision für ein Geschäft mit Corona-Masken erhalten haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt - wegen des Verdachts der Mandatsträgerbestechung und der Steuerhinterziehung.

Von Andreas Glas, Klaus Ott, Henrike Roßbach und Robert Roßmann

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein lässt sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion ruhen. Das teilte sein Anwalt am Freitagnachmittag mit. Nüßlein reagierte damit auf die Ermittlungen gegen ihn wegen Korruptionsverdachts im Zusammenhang mit dem Ankauf von Corona-Schutzmasken durch den Bund und den Freistaat. CSU-Generalsekretär Markus Blume sprach von "schweren Vorwürfen" und verlangte ebenso wie ein Sprecher der bayerischen Staatsregierung, dass die Vorwürfe nun "lückenlos und zeitnah aufgeklärt" werden müssten. CSU-Chef Markus Söder schwieg dagegen zu den Vorwürfen. Zu laufenden juristischen Verfahren könne sich der bayerische Ministerpräsident nicht äußern, sagte der Regierungssprecher.

In der Geschichte der CSU gab es immer wieder Ermittlungen gegen Abgeordnete und Parteifunktionäre, auch in jüngeren Jahren. Doch man muss weit zurückblicken, um einen Fall zu finden, der die Dimensionen hat, die sich in der Causa Nüßlein abzeichnen - und die CSU nun in Bedrängnis bringen.

Nüßlein soll im vergangenen Jahr seine Funktion als Abgeordneter dazu genutzt haben, Verträge zwischen einem Unternehmen aus Hessen und drei Ministerien über die Abnahme von Corona-Schutzmasken zu arrangieren. Es geht um Maskenkäufe der Gesundheitsministerien in Bayern und im Bund sowie des Bundesinnenministeriums von Horst Seehofer (CSU). Dafür soll eine Beraterfirma Nüßleins insgesamt 660 000 Euro Provision kassiert haben. Das Geld stammt offenbar von dem hessischen Unternehmen und soll über das Ausland geflossen sein; das würde die Durchsuchungen in Liechtenstein erklären. Bislang gibt es offenbar keine Hinweise, dass die drei Ministerien von den Provisionszahlungen an Nüßlein gewusst haben.

Sollte das alles zutreffen, dann wäre das Maskengeschäft wie folgt abgelaufen: Nüßlein nutzt seine Stellung als Abgeordneter und Vizechef der Unionsfraktion, um die Geschäfte über die dringend benötigten Schutzmasken zwischen der Firma aus Hessen und den drei Ministerien zustande zu bringen. Er legt gegenüber den Ministerien, die allesamt von Unionspolitikern geleitet werden, seine finanziellen Interessen nicht offen, sondern kassiert heimlich die Provision.

Sein Mandant halte die Vorwürfe für unbegründet, teilt Nüßleins Anwalt mit

Ob dem so gewesen ist, müssen die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft München zeigen. Die Staatsanwälte gehen dem Verdacht der Mandatsträgerbestechung und der Steuerhinterziehung nach. Nüßlein soll es versäumt haben, Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben. Die Generalstaatsanwaltschaft hält sich wegen des Steuergeheimnisses mit Auskünften zurück. Nüßlein ließ am Freitag eine schriftliche Anfrage der Süddeutschen Zeitung unbeantwortet und war auch telefonisch nicht zu erreichen.

Nüßleins Anwalt teilte mit, dass sein Mandant die Vorwürfe für unbegründet halte. Es sei aber noch nicht absehbar, wann sich Nüßlein "im Rahmen dieser offenbar komplexen Ermittlungen zu Einzelheiten äußern kann". Nüßleins Anwalt wies außerdem darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft bisher "ausdrücklich und ausschließlich von einem ,Anfangsverdacht'" sprechen würde. Das lasse "gerade nicht die Schlussfolgerung zu, dass die für einen begründbaren Strafvorwurf erforderlichen Beweisgrundlagen gegeben sind".

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte zu den Vorwürfen, sein Haus habe damals "gefühlt jeden Tag Hunderte" Hinweise auf Masken und anderes bekommen, von Abgeordneten, Bürgern, Bürgermeistern oder Landräten. Das sei dann immer "auf entsprechenden Wegen" geprüft worden. Laut Spahn fiel damals nichts von dem auf, was Nüßlein nun vorgeworfen wird. "Nach meinem Wissensstand sind diese Dinge behandelt worden, wie alle anderen auch. Aber die Kollegen steigen jetzt natürlich nochmal ins Archiv", sagte der Gesundheitsminister.

"Ob und wenn ja, wen der Kollege Dr. Nüßlein" im Bundesinnenministerium zum Ankauf von Schutzkleidung kontaktiert habe, "entzieht sich meiner Kenntnis", erklärte Seehofers Parlamentarischer Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) - ihn selbst persönlich jedenfalls nicht.

Der Fall habe in der Partei "heftig eingeschlagen", heißt es aus der CSU

Im Umfeld von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) wurde darauf verwiesen, dass wegen der Regeln in der Unionsfraktion die CSU die ihr zahlenmäßig zustehenden stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden in eigener Regie auswählen dürfe - so sei es auch im Fall Nüßlein gewesen. Der Ball liege deshalb bei der CSU. Sowohl in der Spitze der Unionsfraktion als auch in der CDU-Führung wurde aber eingestanden, dass der Fall eine dramatische Außenwirkung habe. Man hoffe deshalb, dass alle Beteiligten alles dafür tun, den Fall möglichst schnell aufzuklären.

In München sagte ein Mitglied des CSU-Vorstands, der Fall habe in seiner Partei "heftig eingeschlagen". In der CSU-Spitze, aber auch in Nüßleins Stimmkreis in Schwaben, herrsche Aufregung. Angesichts dessen verhielt sich die Parteispitze aber zunächst ziemlich still. Aus CSU-Kreisen verlautete, die Führung habe zunächst selbst mit Nüßlein sprechen wollen. Doch der ist offenbar weitgehend abgetaucht. Mehrere seiner Parteifreunde berichteten, der 51-Jährige sei nicht nur für Journalisten, sondern auch für sie nicht erreichbar.

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