Genossen, wie sie niemand kennt:Zehn Dinge über die SPD, die Sie nicht wussten

SPD-Gründervater Lassalle starb für die Liebe. Literat Günter Grass ließ sich für Willy Brandt bewerfen. Und Künstler Joseph Beuys ärgerte sich, als die Sozialdemokraten seine Badewanne putzten. Zehn Genossen-Geschichten jenseits von Warschauer Kniefall und Agenda 2010.

Von Nadia Pantel

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luise zietz

Quelle: SZ

SPD-Gründervater Lassalle starb für die Liebe. Literat Günter Grass ließ sich für Willy Brandt bewerfen. Und Künstler Joseph Beuys ärgerte sich, als die Sozialdemokraten seine Badewanne putzten. Zehn Genossen-Geschichten jenseits von Warschauer Kniefall und Agenda 2010.

August Bebels weibliches Pendant

1908 wurde erstmals eine Frau in den Parteivorstand der SPD gewählt: die Tabakarbeiterin und Kindergärtnerin Luise Zietz. Damit war Zietz die erste Frau überhaupt, die in Deutschland in der Leitungsebene einer Partei arbeitete. Bis 1908 war es Frauen durch das preußische Vereinsgesetz verboten, in politischen Organisationen mitzuarbeiten. Zietz starb 1922 im Alter von 57 Jahren an einem Herzinfarkt. Ihr Ziel, viele Frauen für die SPD zu gewinnen, ist nur teilweise erreicht. Lediglich ein Drittel der Parteimitglieder ist heute weiblich.

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Genossen, wie sie niemand kennt:Als die SPD zu den Waffen griff

Reichsbanner

Quelle: Scherl

In der politischen Radikalisierung während der Weimarer Republik gründeten nicht nur die Nazis und Kommunisten Kampfverbände. Auch die SPD setzte auf Widerstand - zur Verteidigung ihrer politischen Ideale. Das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" wurde im Februar 1924 von SPD, Zentrumspartei, DDP und den Gewerkschaften gegründet. 1931 ging das Reichsbanner in dem Kampfverband der "Eisernen Front" auf. Im März 1933 wurden beide Verbände verboten, ihre Mitglieder verfolgt und in Konzentrationslager deportiert. 1953 wurde das Reichsbanner als "Bund aktiver Demokraten e. V." wiedergegründet. Heute hat die Organisation 500 Mitglieder und ist vor allen Dingen im Bereich der politischen Bildung aktiv.

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Genossen, wie sie niemand kennt:Schmidt auf Vinyl

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Quelle: SZ

Der Musikliebhaber Schmidt komponierte bereits als 17-Jähriger vierstimmige Kirchenlieder für die Orgel. Sein großes Vorbild: Johann Sebastian Bach. Später nahm er dann selber mehrere Schallplatten auf. Gemeinsam mit den Pianisten Christoph Eschenbach, Justus Frantz und Gerhard Oppitz interpretierte er Werke von Bach und Mozart.

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Genossen, wie sie niemand kennt:In Beuys' Badewanne

Joseph Beuys

Quelle: Hans Dürrwald/dpa

"Ist das Kunst oder kann das weg?" - Die Geschichte, wie eine Putzfrau in der Düsseldorfer Kunstakademie die Joseph-Beuys-Fettecke nicht als solche erkannte, sondern aufwischte, wird immer wieder gern erzählt. Doch eigentlich nimmt die SPD eine Pionier-Stellung ein, was das Wegschrubben von Kunst betrifft. Im Herbst 1973 putzten eifrige Genossen der Leverkusener SPD im Museum Schloss Morsbroich eine dreckige Badewanne sauber, um darin Biergläser abzuspülen. Dumm nur, dass die Wanne ein Beuys-Werk war, das damals auf einen Wert von 80.000 D-Mark geschätzt wurde. Der Wannen-Inhaber und Kunstsammler Lothar Schirmer tobte, als er von der Putzaktion erfuhr. "Wie ein rasierter Kaktus", sehe das Objekt aus. Schließlich erklärte Beuys sich bereit, die Wanne für Schirmer neu zu befetten und somit wieder zu Kunst zu machen.

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Genossen, wie sie niemand kennt:"SPD-Politiker werden" als Unterrichtsfach

Rosa Luxemburgs Leiche in Berliner Charite gefunden?

Quelle: dpa

"SPD-Politiker werden" war einmal ein Unterrichtsfach in der 1906 eigens dafür gegründeten Parteischule in Berlin. Der Vorstand der Schule war August Bebel höchstpersönlich. Und auch die Lehrer waren prominent: Rosa Luxemburg, hier im Bild, unterrichtete "Nationalökonomie", Heinrich Cunow "Historischen Materialismus". Kurt Rosenfeld führte die Schüler ins Bürgerliche Recht ein. Der Schulbetrieb lief zehn Jahre lang: von 1904 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Danach dauerte es mehr als 70 Jahre, bis wieder ein ähnliches Experiment begonnen wurde. Erst 1986 gründete die SPD wieder eine eigene Schule zur Fortbildung ihrer hauptamtlichen Mitarbeiter. Die heutige Parteischule befindet sich im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

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Genossen, wie sie niemand kennt:Eier und Birnen für den Star-Dichter

Günter Grass und Willy Brandt

Quelle: dpa

Günter Grass verdankt die einzige Eier-Attacke seines Lebens der SPD. Im September 1965 war Grass unter dem Slogan "Willy wählen" für Willy Brandt auf Wahlkampftour. Es war Grass, der darauf bestand, die tiefkatholische CDU-Hochburg Cloppenburg zu besuchen. Der dortige SPD-Ortsverband bestand aus nur sieben Mitgliedern. Doch um Grass zu hören, kamen 3500 Menschen in die Münsterlandhalle und zahlten brav eine D-Mark Eintritt. Es wurde für alle Beteiligten eine denkwürdige Veranstaltung: Grass hatte gerade erst zu reden angefangen, da flogen schon die ersten Eier. Später kamen auch noch Birnen dazu. Am Ende der Rede musste Grass unter Polizeischutz aus der Halle geführt werden.

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Genossen, wie sie niemand kennt:Liebeskranker Lassalle

Ferdinand Lassalle

Quelle: dpa

Der Schriftsteller und Politiker Ferdinand Lassalle ist einer der Helden der SPD. Wie viele Sozialisten und Sozialdemokraten nach ihm wurde Lassalle erschossen. Nur starb er nicht durch die Waffe des politischen Gegners, sondern durch den Schuss eines Widersachers in der Liebe. Bei einem Kuraufenthalt lernte der junge Dichter Lassalle die Schriftstellerin Helene von Dönniges kennen, sie verlobten sich, dann zwang jedoch Dönniges Vater seine Tochter, die Verlobung aufzulösen. Lassalle forderte den widerständigen Beinahe-Schwiegervater zum Duell heraus. Der beauftragte Helene Dönniges späteren Ehemann Janko von Racowitza an seiner statt zur Pistole zu greifen. Lassalle zog den Kürzeren. Am 31. August starb die SPD-Legende im Alter von 39 Jahren an den Folgen des Duells.

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Genossen, wie sie niemand kennt:Recht ist, was billig ist

1. Mai Kundgebung

Quelle: dpa

Als die "Roten" im späten 19. Jahrhundert noch verboten waren, wurde die rote Nelke im Knopfloch zum verschwörerischen Symbol des Zusammenhalts. Warum ausgerechnet die Nelke? Nun, Klatschmohn, Dahlien und Rosen (wie sie die SPD später verwendete) sind zwar auch schön, nur nicht so schnell und anspruchslos zu züchten. So profan kann Politik sein: Die Nelke wurde also zum Symbol der Sozialisten weil sie so billig ist. Passt ja irgendwie zu einer Massenpartei.

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Genossen, wie sie niemand kennt:Alles neu macht der Schröder

Koalition SPD und Grüne

Quelle: dpa

Die SPD war die erste Partei, der es in der Bundesrepublik gelang, eine komplett neue Regierung ins Amt zu bringen. Mit Ausnahme der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger von 1966 bis 1969 und den Koalitionen von CDU/CSU und DP unter Adenauer von 1956 bis 1960 - beziehungsweise bis zum Ende der Kabinetts Adenauer III 1961 die Union allein - war immer die FDP an der Regierung beteiligt. Unter Erhard, Adenauer und Kohl in der schwarz-gelben Koalition, unter Brandt und Schmidt in der sozialliberalen Koalition. So kam es nie zu einer vollständigen Neubesetzung der Regierung. Dies änderte sich erst mit Gerhard Schröders Wahlsieg 1998 und durch die Bildung der rot-grünen Koalition.

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Genossen, wie sie niemand kennt:Die "Hier-waren-mal-Arbeiter-Partei"

Arbeitsmarktdaten Februar 2012

Quelle: dpa

Nur noch 16 Prozent der SPD-Mitglieder sind Arbeiter. 1956 waren es noch 40 Prozent. Während die Zahl der Arbeiter in der Partei schrumpft, gibt es immer mehr Akademiker mit rotem Parteibuch. 37 Prozent der SPD-Mitglieder haben heute einen Hochschulabschluss. Und 42 Prozent der Parteimitglieder sind Beamte oder Angestellte im öffentlichen Dienst. Das Einzige, was die SPD auch heute noch ein wenig zur Milieu-Partei macht, ist der ungewöhnlich hohe Anteil an Gewerkschaftsmitgliedern. 42 Prozent der Sozialdemokraten sind gewerkschaftlich organisiert. Den höchsten Anteil an Arbeitern hat inzwischen jedoch die Linkspartei.

© Süddeutsche.de/beitz/joku/lala/odg
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