Generaldebatte im Bundestag:Streit um die Staatsräson

Bundeskanzlerin Angela Merkel hält die Bundeswehr für unterfinanziert und plädiert dennoch für weitere Auslandseinsätze. Die Opposition ging mit der Außenpolitik der Regierung hart ins Gericht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Vorstellungen zur künftigen Rolle und Struktur der Bundeswehr präzisiert. In der Generalaussprache zum Haushalt 2007 im Bundestag schloss Merkel einen seit langem diskutierten größeren Bundeswehreinsatz im Sudan klar aus. Sie kündigte an, dass in absehbarer Zeit keine deutschen Soldaten in die sudanesischen Krisenregion Darfur geschickt werden.

Libanon-Einsatz: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit

Merkel rechtfertigte die laufenden deutschen Bundeswehr-Einsätze - unter anderem in Afghanistan und im Kosovo - mit rund 7700 Soldaten damit, dass sie jeweils auch den deutschen Interessen dienten.

Der Wochenzeitung Die Zeit hatte Merkel mit Blick auf die Auslandseinsätze und die voraussichtlich anstehende Libanon-Mission der Bundeswehr gesagt: "Wir müssen uns deshalb insgesamt fragen, ob die Strukturen unserer Streitkräfte zukunftstüchtig sind." Die Verteidigungsausgaben in den nächsten 20 Jahren seien nicht sakrosankt. Das betreffe aber nicht den Haushalt 2007/2008.

Die Bundeskanzlerin erinnerte in der Wochenzeitung daran, dass Deutschland gemessen am Bruttosozialprodukt weniger für die Armee ausgebe als Finnland, Norwegen oder Holland und deutlich weniger als Italien, Frankreich, Großbritannien oder die USA.

Mit Blick auf die wachsenden internationalen Verpflichtungen sagte Merkel der Zeit: "Eine deutsche Regierung kann jetzt nicht sagen: In den nächsten Jahrzehnten bitte keine neuen Konflikte, weil wir uns das nicht leisten können".

Im Bundestag bat Merkel angesichts der Verzögerung des Einsatzes deutscher Soldaten zur Sicherung der libanesischen Küste um Verständnis: "Gründlichkeit der Entscheidung geht hier vor Schnelligkeit".

Es sei besser, noch ein paar Tage zu warten, als deutsche Soldaten unnötig Risiken auszusetzen. Das Angebot der Marine-Mission vor der libanesischen Küste verteidigte sie mit dem Hinweis, dass es "deutsche Staatsräson" sei, das Existenzrecht Israels zu gewährleisten.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, es sei bislang Staatsräson gewesen, dass deutsche Soldaten niemals in Gefahr geraten dürften, auf Israelis schießen zu müssen. Diesen Grundsatz gebe die Regierung nun auf.

Auch die Grünen hielten sich eine Zustimmung zu dem Einsatz noch offen.

Nach Ansicht von Linksfraktionschef Oskar Lafontaine (WASG) erhöht die deutsche Außenpolitik die Terrorgefahr in Deutschland. Die Außenpolitik befinde sich seit vielen Jahren auf einem Irrweg. Er beklagte, die Außenpolitik habe sich zu sehr auf militärische Optionen konzentriert.

FDP: Merkel hat nur Schlangenlinienkompetenz

Umstritten war auch der innenpolitische Kurs der großen Koalition. Merkel kündigte an, ihren Konsolidierungskurs fortzusetzen. "Wir haben die Grundlage für eine dauerhafte Entwicklung nach oben gelegt." Die Wende zum Besseren sei eingeleitet.

Angesichts der erwarteten Mehreinnahmen für den Staat bekräftige Merkel den Kurs zur Sanierung der öffentlichen Haushalte. Merkel unterstützte "ausdrücklich" den Kurs von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Erst einmal müsse das zusätzliche Geld vorhanden sein. Damit müssten zunächst die Neuverschuldung abgebaut werden. Erst dann könne geschaut werden, ob es Spielräume gebe. "Ich sehe das im Augenblick nicht."

In scharfer Form warf Merkel der Opposition vor, keine Alternativen aufbieten zu können. "Realitätsverweigerung, Einfallslosigkeit, ein großes Stück Selbstgerechtigkeit und ein Hang, dieses Land negativ zu reden, wie ich es nicht für verantwortlich halte," sagte sie mit Blick auf FDP, Grüne und Linksfraktion. Die Koalition werde sich aber auf ihrem Weg nicht "beirren" lassen.

Die FDP warf der Bundesregierung fehlende Entscheidungsfreude bei ihrem Reformkurs vor. Statt einer Richtlinienkompetenz verfolge Kanzlerin Merkel eine "Schlangenlinienkompetenz", sagte FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle.

Steuererhöhungen würden als Reformen, und Stillstand als Weg in die richtige Richtung verkauft. Brüderles Rede gipfelte in der Attacke: "Sie regieren das Land mittlerweile nach dem 'Pippi-Langstrumpf-Prinzip': Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt."

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