Generalbundesanwalt außer Dienst:Souveränität ist eine Frage des Könnens

Statement Generalbundesanwalt Harald Range

Rebell ohne Grund: Harald Range, Generalbundesanwalt a. D.

(Foto: dpa)

Der geschasste Generalbundesanwalt Range hat versucht, sich als Justizrebell zu inszenieren. Dafür hätte es weit bessere Gelegenheiten gegeben, Stichwort Snowden.

Kommentar von Heribert Prantl

Harald Range, nun Generalbundesanwalt außer Dienst, hatte zum Ende seiner Amtszeit versucht, sich zu inszenieren - als Justizrebell wider die Einflussnahme der Politik; als ein General, der gegen politische Willfährigkeit ficht und für die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft. Es war die falsche Gelegenheit.

Dafür hätte es andere, bessere Gelegenheiten gegeben als das windige, absurde Ermittlungsverfahren gegen Netzpolitik.org wegen angeblichen Landesverrats, in dem Range, verleitet von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, dessen polizeistaatlichem Staats- und Grundrechtsverständnis auf den Leim ging. Wer an der Spitze solcher Behörden steht, sollte nicht den Ehrgeiz haben, mit Whistleblowern so umzugehen wie die USA mit Edward Snowden.

Die Behörde im Griff und die Grundrechte im Blick haben

Range ist ein "rebel without a cause", ein Rebell ohne Grund. In seiner Amtszeit hätte es viele Möglichkeiten gegeben, die Unabhängigkeit, die Souveränität und den juristischen Mut der Bundesanwaltschaft zu demonstrieren - bei der Verfolgung der NSA-Spionage beispielsweise und bei der Aufklärung der US-Einsätze im illegalen Drohnen-Krieg, die auch von deutschem Boden ausgehen.

Das alles ist delikat, da hat die deutsche Politik Manschetten - da hätte der Generalbundesanwalt sagen können, dass er als Repräsentant des Legalitätsprinzips die Entscheidung über eine Strafverfolgung nicht von den politischen Folgen her instrumentalisieren dürfe. Range hat sich stattdessen auf die Formel zurückgezogen, dass ihm "gerichtsverwertbare Beweise" fehlen und zugleich die Augen vor den Indizien verschlossen. Seine Unabhängigkeits-Demonstration in der Causa Landesverrat kurz vor Ablauf der Dienstzeit war daher eine billige Nummer.

Range ist der dritte Generalbundesanwalt in der Geschichte der Bundesrepublik, der vorzeitig abberufen wird. Der erste war Wolfgang Immerwahr Fränkel; er wurde 1962 von Bundesjustizminister Wolfgang Stammberger (FDP) wegen seiner von ihm vertuschten NS-Vergangenheit bei der Reichsanwaltschaft in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Der zweite war Alexander von Stahl; er wurde 1993 von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wegen des Wirrwarrs bei der Aufklärung der tödlichen Verhaftungsaktion gegen zwei RAF-Terroristen in Bad Kleinen vorzeitig abberufen. Der dritte ist nun Harald Range. Eine rühmliche Reihe ist das nicht.

Entpolitisierte Generalstaatsanwälte

Die Abberufung eines Generalbundesanwalts ist deshalb möglich, weil er politischer Beamter ist - also einer, der sich bei der Amtsführung in Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Zielen der Regierung halten soll. Diese Konstruktion ist bei einem Staatsanwalt eine delikate Sache, weil er ja nicht einer Regierungspolitik, sondern dem Gesetz verpflichtet sein soll - auch wenn er nicht die Unabhängigkeit genießt, wie sie das Grundgesetz nur dem Richter zuschreibt.

Nach jahrzehntelanger Kritik sind deshalb die Generalstaatsanwälte in den Bundesländern entpolitisiert worden. Der Generalbundesanwalt, oberster Ankläger der Republik, ist der einzige Staatsanwalt in Deutschland, der noch den Status des politischen Beamten hat. Das führte und führt bisweilen zu massiven Spannungen zwischen den Regierungen in Bonn/Berlin und dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe.

Souveränität ist eine Frage des Könnens

Der letzte Generalbundesanwalt, der einigermaßen reibungsfrei mit der Bundesregierung lebte, war der joviale Machtmensch Kurt Rebmann, berufen drei Monate nach der Ermordung seines Vorgängers Siegfried Buback 1977. Mit diesem Attentat begann eine neue Zeitrechnung bei der Bundesanwaltschaft. Seitdem ist der Erfolg im Kampf gegen den Terror Gradmesser für die Reputation jedes Chefermittlers; Rebmann war erfolgreich. Sein gnadenloser Law- und Order-Kurs war umstritten, seine Qualifikation unumstritten. Er wurde massiv kritisiert, wenn er jedes Hungerstreik-Komitee rigoros wegen RAF-Unterstützung verfolgte.

Aber Autorität hatte er, auch gegenüber der Regierung; und gebremst wurde er notfalls vom Bundesgerichtshof. Kein Nachfolger hatte mehr seine Autorität: der unterschätzte Kay Nehm nicht, die am Ende resignierte Monika Harms nicht und Harald Range erst recht nicht. Aber Rebmanns Beispiel zeigt: Man kann auch im prekären Staatsanwalts-Status des politischen Beamten souverän agieren.

Souveränität ist nicht unbedingt eine Frage der Härte, sondern des Könnens. Zum Können gehört es, eine Behörde im Griff und die Grundrechte im Blick zu haben. Das sollte beim Chef der Bundesanwaltschaft so sein und beim Chef des Verfassungsschutzes auch. Die Bundesanwaltschaft hat einen neuen Chef, der Verfassungsschutz noch nicht.

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