Süddeutsche Zeitung

Generalbundesanwalt:Range als Bauernopfer

Wenn alle auf einen zeigen, muss das nicht heißen, dass der eine alles falsch gemacht hat - da gibt es noch andere.

Von Hans Leyendecker

Wenn plötzlich alle auf einen zeigen, muss das nicht bedeuten, dass der eine alles falsch gemacht hat und die anderen alles richtig gemacht haben. Alle zeigen jetzt auf Generalbundesanwalt Harald Range. Haus für Haus in Berlin distanziert sich von ihm, als habe der 67-Jährige, der bald in Pension geht, eine ansteckende Krankheit. Er habe allerorten an Vertrauen verloren, heißt es.

Range hat den Fehler gemacht, das Gutachten einer obersten Bundesbehörde zu ernst zu nehmen. Dabei war die Expertise, neben anderem, auch eine Kampfschrift des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in der kräftig mit dem Begriff "Staatsgeheimnis" hantiert wurde. Die Nachrichtendienstler wollten mal ein Exempel an einem statuieren lassen, der ihre Geheimnisse rausließ. Die Lektüre und die Geschichte des historischen Gutachtens, das 1962 in der Spiegel-Affäre von der Bundesanwaltschaft eingesetzt worden war, hätte Range eine Warnung sein können. Es stammte damals aus dem von der Spiegel-Geschichte betroffenen Bundesverteidigungsministerium, es war argumentativ dürftig, fehlerhaft, schlecht gemacht.

Mag ja sein, dass Range schon eine ganze Weile der falsche Mann für den Job in Karlsruhe war. Zu wankelmütig, zu unsicher, sagen die in Bonn, und in Karlsruhe stimmen einige zu. Aber die Affäre hätte mehr verdient als nur ein Bauernopfer.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2015
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