Wenn es darum geht, Kindern aus einkommensschwachen Haushalten unter die Arme zu greifen, leistet sich der Staat einen Kuddelmuddel von Fördersystemen: Es gibt pro Kind 190 Euro Kindergeld. Es gibt den Kinderfreibetrag, von dem Besserverdiener profitieren. Es gibt den Kinderzuschlag von bis zu 140 Euro monatlich, der Eltern mit einem geringen Verdienst vor dem Absturz ins Hartz-IV-System bewahren soll. Und es gibt für Kinder in Hartz-IV-Haushalten das Sozialgeld, das je nach Alter zwischen 237 und 306 Euro liegt. Hinzu kommen Leistungen aus dem sogenannten Bildungspaket, etwa ein Mittagessen in der Schule oder ein Zuschuss für den Sportverein. Mit diesen für die Betroffenen oft verwirrenden unterschiedlichen staatlichen Hilfen wollen nun mehr als 30 Verbände und Nichtregierungsorganisationen Schluss machen.
In ihrem Aufruf, den sie - passend zum Internationalen Tag des Kindes an diesem Mittwoch - in Berlin veröffentlichten, fordert das Bündnis eine "einheitliche Geldleistung für jedes Kind und jeden Jugendlichen" in Deutschland. Der Aufruf, den unter anderem die Diakonie Deutschland, das Deutsche Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt und das Deutsche Kinderhilfswerk unterzeichnet haben, hat den Titel: "Wir wollen eine Gesellschaft, der jedes Kind gleich viel wert ist."
"Wir wollen eine Gesellschaft, der jedes Kind gleich viel wert ist."
Die Initiatoren halten die bestehenden Fördersysteme und ihr "bürokratisches Nebeneinander" für ungerecht: So würden Gutverdiener durch den Kinderfreibetrag um bis zu 277 Euro im Monat steuerlich entlastet. Normalverdiener kommen mit dem Kindergeld jedoch nur auf 190 Euro. Die 1,8 Millionen Kinder und Jugendlichen in Hartz-IV-Haushalten hätten von Kindergelderhöhungen nichts, weil diese Leistung mit der staatlichen Grundsicherung (Hartz IV) verrechnet wird. Der Kindergeldzuschlag, der zuletzt an etwa 260 000 Kinder von Geringverdienern ausgezahlt wurde, erreiche genauso wie das komplizierte Bildungspaket viele Familien erst gar nicht, kritisiert das Bündnis. "Dort, wo die Not am größten ist, kommt am wenigsten an", sagte der Marburger Sozialethiker Franz Segbers. Stattdessen müsse bei jedem Kind "der gleiche Betrag ankommen", forderte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider.
Konkret stellen sich die Initiatoren das so vor: Die bisher geltenden Regelsätze für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten müssen um bis zu 50 Euro erhöht werden. Gleichzeitig wollen sie die unterschiedlich hohe Förderung durch Kindergeld und Kinderfreibetrag abschaffen und für alle eine nach Altersgruppe der Kinder gestaffelte Geldleistung einführen.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) reagierte sofort - und skeptisch. "Die Verbesserung von Transferleistungen führt nicht dazu, dass strukturell das Problem wirklich gelöst wird", ließ sie noch am Dienstag wissen. Will sagen: Mehr Geld hilft da nicht. Kinderarmut sei schließlich "vor allem Familienarmut". Und der Schlüssel für den Kampf dagegen sei es eben, "einen oder am besten beide Elternteile in Arbeit zu bekommen". So ließe sich der Teufelskreis von Erwerbslosigkeit und damit einhergehender Armut am besten durchbrechen. Und das hätte den Vorteil, dass es den Haushalt nicht zusätzlich belasten würde. Aber das sagte die Ministerin natürlich nicht.