Süddeutsche Zeitung

Israel gegen Iran:Morde, Attentate und ein Computerwurm

Alles dreht sich um die Bombe: Israels Geheimdienst ist stolz auf die Sabotage des iranischen Atomprogramms - doch nun behauptet Teheran, das Komplott aufgedeckt zu haben.

Peter Münch

Für das iranische Regime war es eine Woche des Wohlgefallens: Am Montag durfte das staatliche Fernsehen die Zerschlagung eines israelischen Spionagerings und die Verhaftung von mehr als zehn Verrätern melden - und fortan verging kein Tag ohne neue Enthüllungen. Waffen wurden präsentiert, Computer und diverse Papiere; der Hauptverdächtige wurde in einem jener landestypischen, bizarren TV-Interviews vorgeführt, und am Ende jubilierte Geheimdienstminister Hejdar Moslehi, man habe nun das System des Mossad in Iran infiltriert und dem Feind einen "schweren Schlag" versetzt. Was dabei tatsächlich Aufklärung ist und was Propaganda, bleibt in diesem Metier naturgemäß umnebelt. In jedem Fall aber wirft der Fall ein neues Schlaglicht auf den geheimen Krieg, der zwischen Iran und Israel geführt wird.

In diesem Krieg dreht sich alles um die Bombe - um das iranische Nuklearprogramm, das in Israel als existenzielle Bedrohung verstanden und deshalb bekämpft wird. Mit allen Mitteln. Glaubt man iranischen Verkündigungen, gehört auch das tödliche Attentat auf den Atomphysiker Massud Ali Mohammadi im Januar 2010 dazu. Im Fernsehen wurde deshalb der 28-jährige Majid Jamali Fash präsentiert, der im schicken blauen Pullover überraschend unbefangen über diesen Mord plauderte - schließlich droht ihm als mutmaßlichem Haupttäter der Tod durch den Strang.

Fash berichtete detailliert, wie er in der Türkei von israelischen Agenten angeheuert worden sei, wie sie ihn dann nach Tel Aviv gebracht und dort gezielt trainiert hätten für diesen mörderischen Einsatz. Am Ende beschwerte er sich noch, dass ihm der Mossad 25.000 Dollar schulde, denn 50.000 Dollar seien ihm versprochen und nur die Hälfte gezahlt worden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Teheran die Aufdeckung eines vermeintlichen israelischen Komplotts meldet. Immer wieder waren in den letzten Jahren auch angebliche Spione hingerichtet worden. Dennoch hat das Regime eine ganze Weile gebraucht, um israelische Kommando-Aktionen gegen das Atomprogramm einzuräumen. Als zum Beispiel 2007 der in der Nuklearanlage von Isfahan beschäftigte Wissenschaftler Ardeshire Hassanpour unter dubiosen Umständen zu Tode kam und sogleich der Mossad unter Verdacht geriet, sprachen die Iraner noch von "Propaganda". Sie beharrten darauf, er sei das Opfer eines bedauerlichen privaten Gasunfalls in seiner Wohnung geworden.

Doch die Todesfälle haben sich auffällig gehäuft. Zuletzt war im November ein Atomphysiker mitten in Teheran per Bombe getötet und zeitgleich ein anderer schwer verletzt worden. Jede solche Aktion kann letztlich als Erfolg des Feindes gewertet werden - das Mullah-Regime ist in der Defensive und muss Erfolge vorweisen, wenigstens also einmal einen Spionagering sprengen.

Den Israelis würde es nie einfallen, sich mit solchen Taten zu brüsten. Dank Wikileaks weiß man aber, dass Mossad-Chef Meir Dagan 2007 gegenüber einem US-Offiziellen von einem israelischen Geheimprogramm zum Stopp der Iraner gesprochen hat. Über die Toten aber wird in diesen Kreisen stets geschwiegen. Doch ein paar Hinweise auf den Erfolg der eigenen Arbeit hat sich der in diesen Tagen nach acht Jahren aus dem Amt scheidende Dagan nicht verkneifen können. Es werde mindestens bis 2015 dauern, bis Iran eine Atombombe bauen könne, sagte er frohgemut - und löste damit selbst im eigenen Land einige Überraschung aus.

Schließlich warnt Israels Regierung die Welt seit vielen Jahren, dass Irans nukleare Bewaffnung unmittelbar bevorstehe, schnelles Handeln also unabdingbar sei. Noch 2009 hatte Verteidigungsminister Ehud Barak 2011 als Jahr der Bombe benannt. Der Mossad-Chef selber sprach vor Jahresfrist noch von 2014. Der Aufschub kann nur einen Grund haben: Es ist den Gegnern des Atomprogramms, zuvorderst dem israelischen sowie dem amerikanischen Geheimdienst, gelungen, die Iraner entscheidend zu stören.

Gezielte Morde an Schlüsselfiguren des Atomprojekts passen dabei genauso ins Muster wie der Computerwurm Stuxnet, der im vorigen Herbst Rechner in der Anreicherungsanlage von Natans befallen hat. Manche Experten sprechen bereits davon, dass allein dieser Präzisionsschlag im Cyberwar das iranische Nuklearprogramm um zwei Jahre zurückgeworfen habe. Fast legendär ist überdies eine Pannenserie in den iranischen Atomanlagen, die auf ein besonders ausgeklügeltes System der Sabotage zurückgeführt wird: Über Tarnfirmen wird demnach manipuliertes Material in den Iran geschickt, das für die Nuklearanlagen geordert wurde und dort dann beim Einbau großen Schaden anrichtet.

All diese Maßnahmen haben das Ziel, den Bau der Bombe zumindest solange herauszuzögern, bis sich andere Lösungen in diesem Konflikt anbieten. Es spricht vieles dafür, dass Israel solche Geheimprogramme in letzter Zeit intensiviert hat, denn mit dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama ist ein militärischer Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen zunächst einmal in weite Ferne gerückt. Der scheidende Mossad-Chef Dagan gilt ohnehin als Gegner eines Militärschlags - den Erfolg hält er für ungewiss, die Folgen aber für zu schwerwiegend. Seine eigene Regierung allerdings hat er noch nicht überzeugt. Zwar lobte ihn bis hinauf zum Premierminister das gesamte politische Establishment überschwänglich für seine streng geheime, aber überaus erfolgreiche Arbeit; Iran spielte in allen Abschieds-Elogen eine zentrale Rolle. Doch den Mossad- Erfolgen zum Trotz will Benjamin Netanjahu auf die militärische Option keinesfalls verzichten.

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Quelle:
SZ vom 15.01.2011/segi
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