Geheimer Krieg:Deutsche Behörde horcht Asylbewerber aus

Grenzdurchgangslager Friedland

Grenzdurchgangslager Friedland: ausgehorcht von der Hauptstelle für Befragungswesen (Symbolfoto)

(Foto: dpa)

Wer Informationen über mutmaßliche islamistische Terrorgruppen hat, soll schneller als Asylbewerber anerkannt werden: Die geheime "Hauptstelle für Befragungswesen" befragt Flüchtlinge - das Wissen könnten die USA beim Einsatz von Kampf-Drohnen nutzen.

Von John Goetz und Hans Leyendecker

Beim Einsatz von Kampf-Drohnen greifen US-Geheimdienste auch auf Informationen zurück, die von Asylbewerbern in Deutschland stammen. Nach Angaben eines früheren hochrangigen Pentagon-Mitarbeiters fließen solche Erkenntnisse in das "Zielerfassungssystem" der US-Dienste ein. Selbst scheinbar banale Informationen könnten manchmal reichen, "ein Ziel zu bestätigen - und vielleicht auch dafür, einen Tötungsbefehl auszulösen". Deutsche Behörden würden angeblich die USA systematisch mit Hinweisen versorgen, die von Flüchtlingen stammen. Dazu können auch die Handydaten von Terrorverdächtigen gehören.

Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks spielt dabei die geheimnisumwitterte "Hauptstelle für Befragungswesen" (HBW), die dem Kanzleramt untersteht, eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung macht über die Struktur des HBW selbst bei Anfragen im Parlament keine genauen Angaben. Die Behörde war ursprünglich von den Westalliierten eingerichtet und dann 1958 von der damaligen Bundesregierung übernommen worden. Sie wurde dem Bundesnachrichtendienst zugeordnet.

Es gibt Hinweise, dass auch britische und amerikanische Nachrichtendienstler in Deutschland Asylbewerber befragen. Manchmal angeblich sogar allein, ohne deutsche Kollegen. In einer internationalen Fachzeitschrift berichtete ein Insider, die Hauptstelle sei Teil eines gemeinsamen Befragungsprogramms von Deutschland, Großbritannien und den USA.

Flüchtlinge aus Somalia, Afghanistan und Syrien im Fokus

Die HBW führt heute nach amtlichen Angaben jährlich 500 bis 1000 Vorgespräche mit Flüchtlingen und befragt anschließend 50 bis 100 von ihnen intensiv. Ein Schwerpunkt der Befragungen liegt derzeit offenbar bei Flüchtlingen aus Somalia, Afghanistan und Syrien.

Das Bundesinnenministerium teilte jüngst auf eine Anfrage der Linken zur Aufnahme von Syrern mit, dass derzeit jeden Monat etwa zehn Flüchtlinge von der HBW "kontaktiert" würden.

Dolmetschern und Anwälten zufolge, die Asylbewerber betreuen, interessiert sich die Hauptstelle vor allem für Flüchtlinge, die Angaben über mutmaßliche islamistische Terrorgruppen machen können. Wer mit der Hauptstelle kooperiere, werde oft mit einer schnellen Anerkennung als Asylbewerber belohnt und dürfe in der Bundesrepublik bleiben.

Die Bundesregierung bestreitet, dass es solche Belohnungen gibt und betont, zudem seien die Befragungen freiwillig. Über eine Zusammenarbeit von HBW und BND äußert sich die Regierung nicht. Sie ließ eine umfassende Anfrage zu der Behörde weitgehend unbeantwortet. Detaillierte Angaben würden die "weitere Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung von HBW und BND gefährden", erklärte die Regierung.

Die HBW, die im Kalten Krieg viele Hundert Mitarbeiter hatte, soll heute nur noch knapp vierzig Mitarbeiter beschäftigen. Die Zentrale der Behörde liegt in Berlin. Weitere Büros soll sie in insgesamt sechs Aufnahmelagern für Flüchtlinge haben.

African refugees in Yemen

Menschen aus Somalia flüchten ins Ausland - hier ein Flüchtlingslager Im Jemen.

(Foto: Yahya Arhab/dpa)
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