Süddeutsche Zeitung

Geheimer Krieg:BND will umstrittene Befragungsstelle auflösen

Die sogenannte Hauptstelle für Befragungswesen ist wenig bekannt, aber sehr umstritten: Asylbewerber werden dort von deutschen und ausländischen Geheimdienstlern ausgehorcht. Die Bundesregierung bestätigt nun diese Praxis. Lange soll es die Stelle aber nicht mehr geben.

Die umstrittene "Hauptstelle für Befragungswesen", die dem Bundesnachrichtendienst zugeordnet ist, soll aufgelöst werden. Das geht aus einer schriftlichen Antwort der Bundesregierung auf eine Frage von Linksfraktionsvize Jan Korte hervor, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Die personelle Ausstattung der Dienststelle sei bereits schrittweise reduziert worden, heißt es darin.

In der Antwort räumt die Regierung ein, dass in der Einrichtung Asylbewerber auch durch Vertreter "der alliierten Partnerdienste ohne deutsche Begleiter" befragt wurden. Es könne außerdem nicht ausgeschlossen werden, dass Informationen aus den Befragungen "auch zum militärischen Lagebild" der Partnerdienste beitragen könnten. Korte kritisierte die Praxis scharf.

500 bis 800 "Vorgespräche"

Nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung im Rahmen des Projekts Geheimer Krieg horchten deutsche Geheimdienstler in der Hauptstelle für Befragungswesen Asylbewerber systematisch aus und gaben Hinweise aus diesen Befragungen an die USA weiter. Diese wiederum nutzen solche Informationen auch für den Einsatz von Kampfdrohnen. Es gibt zudem Hinweise, dass auch britische und amerikanische Nachrichtendienstler in Deutschland Asylbewerber befragen.

In der Antwort der Regierung heißt es, in den vergangenen zwei bis drei Jahren hätten durchschnittlich 500 bis 800 "Vorgespräche" pro Jahr stattgefunden. Im Anschluss seien etwa 200 bis 300 Personen befragt worden. Seit der Gründung der Dienststelle 1958 seien an den Befragungen alliierte Nachrichtendienste beteiligt.

Wenn ausländische Geheimdienstler alleine mit Asylbewerbern sprächen, habe der BND "im Vor- und Nachgang" die Aufsicht. Die Ergebnisse der Gespräche würden außerdem im "Meldungssystem" des BND erfasst, bei Bedarf "bereinigt" - etwa im Hinblick auf Datenschutz - und erst dann an die ausländischen Partner weitergegeben. 60 Prozent der erhobenen Informationen der Dienststelle gingen auf diesem Wege an ausländische Geheimdienste.

Korte bezeichnete dies als "absurd". "Wir sollen mal wieder für dumm verkauft werden", sagte er der dpa. "Befragungen finden auch durch US-Geheimdienstler statt, aber die Befragungsergebnisse werden angeblich nur nach Prüfung und Freigabe an die USA weitergereicht - und die Befrager haben natürlich alles sofort wieder vergessen und erzählen ihren Dienststellen nichts."

Zur Nutzung der Informationen aus den Gesprächen mit Asylbewerbern schreibt die Regierung: "Zielsetzung der Befragungen war und ist zu keiner Zeit die Gewinnung von Informationen zur Vorbereitung von Drohneneinsätzen." Es sei aber nicht auszuschließen, dass die Erkenntnisse auch zum militärischen Lagebild der ausländischen Partner beitragen könnten.

Personal soll reduziert werden

Korte reagierte empört: "Erschreckend ist, dass die Regierung die Berichterstattung der letzten Wochen komplett bestätigen muss, aber scheinbar keinerlei Problem erkennen kann", sagte er. Niemand könne ausschließen, dass Erkenntnisse aus den Befragungen auch für das gezielte Töten durch Drohnen benutzt würden. "Das ohnehin fragwürdige geheimdienstliche Abschöpfen von Asylsuchenden muss sofort ersatzlos beendet werden", forderte er.

Die geplante Auflösung der Hauptstelle zeige, dass die derzeitige Praxis offenbar ohnehin entbehrlich sei. Der BND habe die Dienststelle "seit längerem einer Effizienzkontrolle unterzogen" und das Personal dort reduziert, heißt es weiter in der Antwort der Regierung. Ziel sei, die Befragungen direkt in den Krisenregionen im Ausland zu verstärken.

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