Süddeutsche Zeitung

Geheime Kooperation:BND half Amerikanern im Irak-Krieg

Trotz offizieller Ablehnung der Militärschläge durch die Bundesregierung soll der deutsche Geheimdienst den USA beim Ausspähen von Bombenzielen unterstützt haben. Das Kanzleramt war informiert.

Hans Leyendecker und Wolfgang Krach

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat die amerikanischen Truppen im Frühjahr 2003 während des Irak-Kriegs unterstützt und möglicherweise sogar bei der Identifizierung von Bombenzielen geholfen.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung und des ARD-Fernsehmagazins "Panorama" blieben mindestens zwei Mitarbeiter des BND während des gesamten Krieges in Bagdad und versorgten das US-Militär mit Informationen. Die Zusammenarbeit war vom damaligen Geheimdienst-Koordinator im Kanzleramt, Ernst Uhrlau, und dem damaligen BND-Präsidenten August Hanning ausdrücklich gebilligt.

Ein hochrangiger deutscher Sicherheitsbeamter, der ungenannt bleiben will, sagte der SZ am Mittwoch, zwei BND-Agenten hätten in der französischen Vertretung Unterschlupf gefunden, nachdem die deutsche Botschaft am 17. März 2003 - drei Tage vor Beginn des Krieges - geräumt worden sei. Die BND-Mitarbeiter hätten ihre Arbeit während des Krieges fortgesetzt.

Dazu habe auch eine Kooperation mit dem US-Militärgeheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) gehört. Auf der Ebene der Nachrichtendienste habe es "keine Sprachlosigkeit geben sollen". "Die Situation in Bagdad war Neuland für den BND", fügte der Beamte hinzu.

Aus Sicherheitskreisen hieß es am Mittwoch, der Beschluss zur Zusammenarbeit mit den Amerikanern sei eine "politische Entscheidung" der rot-grünen Bundesregierung gewesen. Öffentlich hatte die Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder stets beteuert, sie lehne den Irak-Krieg ab und beteilige sich daher auch nicht an ihm.

Der hochrangige Sicherheitsbeamte sagte, die Führung des BND habe damals nach Absprache mit dem Bundeskanzleramt beschlossen, die Zusammenarbeit mit den Amerikanern während des Krieges fortzusetzen: "Das war keine Entscheidung eines Abteilungsleiters." Zu den Aufgaben des BND habe es gehört, den Amerikanern Ziele zu melden, die nicht bombardiert werden sollten. Dieses "non targeting von Krankenhäusern oder Botschaften" sei eine der Aufgaben des BND im Irak gewesen. Die USA hätten um diese Hilfe gebeten.

Mindestens zwölf Tote

US-Quellen stellen die deutsche Hilfeleistung jedoch anders dar. Ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums, dessen Identität der SZ nicht bekannt ist, sagte dem ARD-Magazin Panorama, die Hilfe der Deutschen sei für die offensive amerikanische Kriegsführung "sehr wichtig" gewesen. Der BND habe "direkte Unterstützung" bei der "Zielerfassung" geliefert. Autor des Panorama-Beitrags ist der renommierte TV-Journalist John Goetz.

Nach Angaben des früheren Pentagon-Mitarbeiters sei den US-Diensten am 7. April 2003 gemeldet worden, dass möglicherweise der Diktator Saddam Hussein im Bagdader Stadtteil Mansur in einer Mercedes-Kolonne vorgefahren sei. Daraufhin seien über die deutsche DIA-Dienststelle in Stuttgart und die BND-Zentrale in Pullach die BND-Mitarbeiter in Bagdad gebeten worden, die Örtlichkeiten zu inspizieren.

Ein BND-Mann sei dann in einer gepanzerten Limousine zu dem Platz gefahren und habe die Mercedes-Kolonne bestätigt. Daraufhin seien zwei Gebäudekomplexe aus der Luft bombardiert worden. Mindestens zwölf Menschen starben.

Der BND bestritt diese Darstellung am Mittwoch. Zwar seien tatsächlich zwei BND-Mitarbeiter in Bagdad geblieben. Der BND habe aber "den kriegsführenden Parteien keinerlei Zielunterlagen oder Koordinaten für Bombenziele zur Verfügung gestellt".

Der BND habe "im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages Informationen im Irak gesammelt, ausgewertet und der Bundesregierung berichtet". Insbesondere habe der Geheimdienst "Informationen zur tatsächlichen Entwicklung des Kriegsverlaufs beschafft, sowie zu den Auswirkungen des Krieges und den Kriegsfolgen".

Der Pilot des US-Bombers, der am 7. April 2003 den Angriff auf Mansur flog, sowie der BND-Mitarbeiter Reiner M., der in Bagdad geblieben war, wurden nach Kriegsende mit Orden des US-Militärs ausgezeichnet. Möglicherweise habe der Deutsche den Orden dafür bekommen, dass die US-Luftwaffe möglichst wenig Zivilisten getroffen habe, sagte der hochrangige Sicherheitsbeamte der SZ. Ein BND-Mitarbeiter sagte, die Suche nach Saddam sei damals "Rechtfertigung" für eine "operative Unterstützung der Amerikaner" gewesen.

Weder Hanning, der mittlerweile Staatssekretär im Bundesinnenministerium ist, noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, damals als Chef des Kanzleramtes für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig, wollten sich am Mittwoch zu dem Sachverhalt äußern.

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, sagte, wenn die Informationen über den BND im Irak zuträfen, wäre dies "ein handfester Skandal, der dringend einer vollständigen Aufklärung bedarf". Ein Untersuchungsausschuss sei "dann unumgänglich". Zudem, so Stadler, "wäre dies ein weiteres Beispiel für ein unglaubliches Auseinanderklaffen zwischen der tatsächlichen Außenpolitik der rot-grünen-Bundesregierung und deren öffentlichem Verhalten".

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SZ vom 12.01.2006
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