Luftzwischenfall:Schreck über dem Schwarzen Meer

Luftzwischenfall: "Potenziell gefährlich": Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace hat die Brisanz des Vorfalls im vergangenen Herbst heruntergespielt.

"Potenziell gefährlich": Großbritanniens Verteidigungsminister Ben Wallace hat die Brisanz des Vorfalls im vergangenen Herbst heruntergespielt.

(Foto: Ben Birchall /AFP)

Ein britisches Aufklärungsflugzeug ist nur durch Zufall dem Abschuss durch eine russische Rakete entgangen.

Von Reymer Klüver

Ein britisches Spionageflugzeug ist im vergangenen Herbst bei einem Zwischenfall mit russischen Kampfflugzeugen über dem Schwarzen Meer nur knapp einer Katastrophe entkommen. Das geht aus übereinstimmenden britischen und amerikanischen Medienberichten hervor, die aus den im Internet veröffentlichten US-Geheimdokumenten zum Ukraine-Krieg zitieren. Danach feuerte ein russischer Kampfjet am 29. September vergangenen Jahres im internationalen Luftraum eine Rakete auf das Überwachungsflugzeug. Das Geschoss verfehlte aber aufgrund eines technischen Fehlers sein Ziel. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace hatte seinerzeit lediglich einen "potenziell gefährlichen" Zwischenfall bestätigt und erklärt, dass er mit seinem russischen Kollegen Sergej Schojgu darüber gesprochen habe.

In den geleakten Dokumenten ist hingegen von einem "Fast-Abschuss" die Rede. Der New York Times bestätigten zwei ungenannte Quellen im Pentagon die Richtigkeit der Angaben in den Dokumenten und den ernsten Charakter des Zwischenfalls. Das britische Verteidigungsministerium hingegen hatte gegenüber der Daily Mail darauf bestanden, dass die Dokumente "Ungenauigkeiten" enthielten und nicht exakt wiedergäben, "was im internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer passiert ist".

Den Berichten zufolge feuerte der Pilot eines russischen SU-27-Kampfjets die Rakete aufgrund eines Missverständnisses ab. Außerhalb der Sichtweite des britischen Flugzeugs hatte er die vierstrahlige Maschine vom Typ RC-135 Rivet Joint bereits ins Visier genommen und offenbar nicht genau verstanden, welche Anweisungen ihm die Leitstelle am Boden gab. Dennoch feuerte er die Rakete ab, die nur knapp ihr Ziel verfehlte. Die RC-135 dient zur Überwachung des Funkverkehrs und zum Aufspüren radioaktiver Partikelkonzentrationen in der Luft. Sie wird von einer dreiköpfigen Besatzung geflogen und hat, je nach Einsatz, zwischen 21 und 27 Personen als technisches Personal an Bord. Ein Abschuss des Flugzeugs hätte ohne Zweifel zu einer massiven Eskalation der Spannungen zwischen Russland und der Nato geführt.

Inzwischen schicken die Briten auch Kampfjets in die Region

Seit der Annexion der Krim durch Russland 2014 gab es immer wieder gefährliche Zwischenfälle im Luftraum über dem Schwarzen Meer. Auch nach dem 29. September kam es den Berichten zufolge zu brisanten Situationen, bei denen russische Flugzeuge sich britischen, französischen und amerikanischen Maschinen auf unter 50 Meter Entfernung näherten. Seit dem Zwischenfall im Herbst werden britische Aufklärungsflugzeuge von Typhoon-Kampfjets begleitet. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ordnete offenbar an, dass amerikanische Flieger sich der Krim nur noch auf etwa 90 Kilometer nähern dürfen. Die internationale Grenze im Luftraum liegt bei gut 20 Kilometern.

Der Beinahe-Abschuss weckt Erinnerungen an einen katastrophalen Zwischenfall im Kalten Krieg. Im September 1983 schoss ein sowjetischer Kampfjet einen koreanischen Jumbojet ab, der auf einem Flug von Anchorage nach Seoul vom Kurs abgekommen war und sowjetisches Hoheitsgebiet überflog. Der Kampfpilot hatte die zivile Maschine nicht eindeutig identifiziert, aber dennoch die Erlaubnis zum Abschuss erhalten. 269 Menschen starben.

Zur SZ-Startseite

Liveblog zum Krieg in der Ukraine
:"Patriot"-Flugabwehrsystem aus Deutschland in Ukraine angekommen

Die Bundesregierung hatte die Lieferung des Systems im Januar in Aussicht gestellt. Polen und die Ukraine einigen sich auf die Wiederaufnahme ukrainischer Getreideimporte.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: