Geheimdienste und Whistleblower:Ich bin Edward Snowden dankbar

Edward Snowden auf einem Plakat in Hongkong

Edward Snowden auf einem Plakat in Hongkong

(Foto: REUTERS)

Edward Snowden hat eine überfällige Debatte über die Überwachungstätigkeit von Geheimdiensten und den Wert persönlicher Freiheit angestoßen. Es ist beschämend, dass er in Ecuador und nicht in Deutschland Asyl beantragen muss.

Ein Debatten-Beitrag von Malte Spitz

Malte Spitz ist Mitglied im Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen und Kandidat zur Bundestagswahl im Wahlkreis Unna 1. Der 29-Jährige ist bei den Grünen zuständig für innen- und netzpolitische Fragen und koordiniert die internationale Arbeit der Partei.

Die vergangenen drei Wochen haben auf erschreckende Art und Weise gezeigt, wie Geheimdienste und staatliche Stellen in den USA und in Großbritannien unser digitales Leben überwachen, auswerten und dokumentieren.

Diese Informationen sind in ihrer Fülle nur bekannt geworden, weil Edward Snowden sein Wissen mit der Welt geteilt hat. Er hatte Zugang zu diesen vertraulichen Vorgängen, weil er für private Unternehmen gearbeitet hat, die von der NSA (National Security Agency) beauftragt wurden. Er war also weder direkter Geheimdienstmitarbeiter noch sonst staatlich angestellt. Edward Snowden befindet sich seit einigen Wochen auf der Flucht. Medienberichten zufolge hat er Asyl in Ecuador beantragt.

Mich persönlich beschämt diese Situation zutiefst. Ich kenne Edward Snowden nicht. Ich finde aber seine Entscheidung, sein Wissen über Überwachungsprogramme unterschiedlichster Art zu teilen, bemerkens- und anerkennenswert. Er hat eine längst überfällige öffentliche Debatte losgetreten, auf der man nun eine fundierte Auseinandersetzung über die Arbeit von Geheimdiensten, den Wert persönlicher Freiheit und den Schutz vor Überwachung führen kann. Eine Debatte darüber, was verhältnismäßig ist, und was zu weit geht.

Genau diese will auch Barack Obama führen. Bei seiner Rede vor dem Brandenburger Tor am 19. Juni 2013 sagte er:

"Unsere aktuellen Maßnahmen unterliegen der Rechtsstaatlichkeit und konzentrieren sich auf Gefahren für unsere Sicherheit, nicht auf die Kommunikation ganz normaler Bürger. Sie helfen, realen Gefahren entgegenzutreten, und sie tragen zur Sicherheit der Menschen in den Vereinigten Staaten und hier in Europa bei. Aber wir müssen uns der Herausforderung stellen, der sich jeder in einer demokratischen Gesellschaft gegenübersieht: die Stimmen zu hören, die nicht unserer Meinung sind; eine offene Debatte darüber zu führen, wie wir unsere Befugnisse einsetzen und wie wir sie beschränken müssen; und immer daran zu denken, dass die Regierung dazu da ist, der Stärke des Einzelnen zu dienen, und nicht andersherum."

Diese Sätze wurden gesagt, weil es seit Anfang Juni eine weltweite Debatte darüber gibt, wie amerikanische und Geheimdienste "befreundeter" Staaten die globale Kommunikation von Millionen Menschen überwachen und analysieren. Sie wurden gesagt, weil Snowden die Entscheidung getroffen hat, streng vertrauliche Informationen zu veröffentlichen, um die Debatte anzustoßen, die Barack Obama jetzt selbst einfordert.

Ohne Snowden würde es die jetzige Debatte nicht geben. Mit der Veröffentlichung dieser Informationen hat Snowden amerikanisches Recht gebrochen. Snowden hat uns allen aber auch die Augen geöffnet und uns gezeigt, wie Geheimdienstarbeit im Jahr 2013 aussieht. Snowden hat dazu beigetragen, dass weltweit Politiker aller Couleur aufgewacht sind und über das Ausmaß der beschriebenen Überwachung diskutiert wird.

Ecuador ist kein Hort von Meinungsfreiheit

Ich bin Edward Snowden dankbar dafür, dass er diesen Schritt gewagt hat. Und es beklemmt mich, dass dieser Edward Snowden nun Asyl in Ecuador beantragen muss, weil es für ihn anscheinend kein anderes Land gibt, in dem er sich vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt fühlt. Nicht, weil er womöglich die kommenden Jahre in Ecuador leben muss, welches im Übrigen kein Hort von Meinungs- und Pressefreiheit ist - im Gegenteil. Sondern, weil es kein Land in Europa gibt, das Whistleblower tatsächlich schützt. Zumindest nicht Whistleblower wie Edward Snowden, die Geheimnisse aus den USA oder einem anderen westlichen Land veröffentlichen.

Grünen-Netzpolitiker Malte Spitz
(Foto: Bündnis 90/Die Grünen, oH)
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