Geheimdienste:So wappnet sich Deutschland gegen russische Hacker

MOSCOW RUSSIA MAY 10 2015 Russia s President Vladimir Putin L and Germany s Chancellor Angela

Wird Putin Angela Merkels Wiederwahl ein Bein stellen?

(Foto: imago/ITAR-TASS)
  • Die aktuellen Desinformationskampagnen aus Moskau erinnern an die Arbeit der Geheimdienste während des Kalten Kriegs.
  • Im Kanzleramt sorgt man sich, Russland könnte versuchen, eine Wiederwahl Merkels zu verhindern.
  • In einem Dossier entwerfen die deutschen Geheimdienste Gegenmaßnahmen.

Von Georg Mascolo und Nicolas Richter

Die Nachricht klang in den 1980er-Jahren wie eine Sensation: Die Immunschwäche Aids und das dazugehörige HI-Virus waren eine menschengemachte Plage, entwickelt in den Biowaffenlaboren des US-Militärs. Was zunächst wie eine seriöse Enthüllung klingen sollte, war tatsächlich nur ein böses Gerücht, absichtlich gestreut vom sowjetischen Geheimdienst KGB und der Stasi. Ziel der "Operation Infektion" war es, absichtlich Verunsicherung und Spaltung im Westen zu stiften. Die Aids-Nachricht sollte wie ein Virus sein, das den Klassenfeind zermürbt.

Dreißig Jahre später fragt man sich in Berlin und Washington, ob sich die Geschichte wiederholt, ob die Regierung in Moskau also versucht, die öffentliche Meinung in den USA und in der Europäischen Union zu beeinflussen, indem sie die Server politischer Parteien oder des Bundestages plündert und falsche Geschichten lanciert, im Internet oder in staatsnahen Sendern wie RT Deutschland. US-Präsident Barack Obama hat Moskau am Freitag erneut mit Gegenmaßnahmen gedroht.

Es werde offene geben sowie verdeckte, kündigte er an. Die Bundesregierung geht dem Verdacht ebenfalls nach: Zwei Arbeitsgruppen namens "Psychologische Operationen" des Bundesnachrichtendienstes und "Sputnik" des Bundesamts für Verfassungsschutz erklären im Entwurf eines Berichts, man beobachte in Deutschland seit 2014 "eine neue Phase russischer Beeinflussungsaktivitäten". Russland wolle sich dafür rächen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel seit der Ukraine-Krise für Sanktionen gegen Moskau werbe. Nun geht im Kanzleramt die Sorge um, Russland könne versuchen, eine Wiederwahl Merkels zu verhindern.

Desinformation, oder das Streuen von Fake News ist keine neue Taktik, auch die CIA hat sie etliche Male benutzt. Die Sowjetunion aber war unter jenen Staaten, die sie besonders skrupellos einsetzten. Der KGB nannte es "aktive Maßnahmen"; das Ziel war es, Politik und Medien beim Gegner zu beeinflussen, indem man bewusst Informationen verbreitete, die ganz oder teilweise falsch waren. Während es aber im Kalten Krieg sehr aufwendig war, solche Lügen zu verbreiten, ist dies heute über das Internet so schnell und günstig wie noch nie.

Der Fall Lisa F. zeigt: Moskau will gezielt Unruhe stiften

Die CIA verdächtigt Moskau, das alte Spiel der Desinformation modernisiert und sogar die US-Präsidentenwahl beeinflusst zu haben. So hätten sich russische Hacker im Staatsauftrag Tausende interne Mails der US-Demokraten beschafft und über die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht, um der Demokratin Hillary Clinton zu schaden. Geheimnisse im Ausland zu klauen ist das uralte Kerngeschäft der Spionage; neu ist es, die gestohlenen Geheimnisse in riesigen Mengen auch zu veröffentlichen.

Für eine Täterschaft der russischen Regierung sind keine Beweise öffentlich geworden, aber es mehren sich Hinweise darauf, dass Moskau im Westen gezielt Unruhe stiftet. Seit der Ukraine-Krise fühlt sich der Kreml mehr denn je vom Westen belagert und hat mit Desinformations-Kampagnen ein günstiges Mittel gefunden, seine Gegner zu bedrängen. Der konkreteste Fall in der Bundesrepublik war vor einem Jahr der Fall Lisa F.: Die Russlanddeutsche behauptete, "Südländer" hätten sie vergewaltigt, dabei hatte sie die Nacht bei ihrem Freund verbracht.

Nicht nur regierungsnahe russische Sender, sondern auch der russische Außenminister Sergej Lawrow schürten die Stimmung gegen Ausländer. Es kam zu Demonstrationen in ganz Deutschland, allerdings haben deutsche Staatsschützer keinen Beweis dafür gefunden, dass die Proteste von Moskauer Agenten gesteuert worden waren.

Werden die Internet-Söldner von Putin gesteuert?

Das 47-seitige Dossier, das die deutschen Dienste im Auftrag der Kanzlerin erstellt haben, warnt vor russischen "Internet-Söldnern", aber auch vor Sendern wie Sputnik News: Deren Programm "gehe weit über das Maß kritischer Berichterstattung hinaus" und müsse, wenn es um die Flüchtlingspolitik und die Kanzlerin gehe, als "feindselig" gelten. Gesteuert werde all dies direkt in der Präsidialadministration des Kreml, also im Amt von Wladimir Putin. Bewiesen ist das nicht.

Im Dossier der deutschen Dienste stehen Vorschläge, wie sich die Bundesrepublik gegen eine mögliche Desinformationskampagne aus Moskau rüsten könnte. Man müsse das Phänomen jetzt genauer untersuchen, heißt es. Zudem könne man die russischsprachigen Angebote deutscher Medien ausbauen und jenen Moskauer Medien, die "offensichtlich propagandistisch genutzt" würden, in Deutschland eine Sendelizenz verweigern. Es gibt sogar einen Vorschlag, im Politikunterricht an Schulen künftig über Beeinflussungsaktivitäten zu reden. Vielleicht hilft auch etwas Gelassenheit und eine Erinnerung an den Kalten Krieg: Die Sowjetunion hat ihn verloren, trotz aller frei erfundenen Fake News.

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