Süddeutsche Zeitung

Geheimdienste:Kanzleramt will BND beim Abhören bremsen

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Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo, München

Das Kanzleramt hat einen von Amtschef Peter Altmaier gebilligten ersten Gesetzentwurf zur Kontrolle der Abhörpraxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland fertiggestellt. Das mehr als 30 Seiten umfassende Papier wurde in der vergangenen Woche Abgeordneten der Koalition übermittelt. Der Entwurf, der Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegt, enthält eine Art "No-Spy"-Klausel für Europa und sieht ein Kontrollrecht des Bundestages vor.

Das Gesetz wäre, sollte es so zustande kommen, eine weltweit einmalige Regelung. Die speziellen Vorgaben sollen in das bislang sehr knapp gehaltene BND-Gesetz eingearbeitet werden. Bemerkenswert ist auch, dass sich das Kanzleramt nach einigem Zögern für die Reform starkmacht. Gegen den Entwurf des Reformgesetzes gibt es aber Bedenken bei SPD und Union.

Die vorgeschlagenen neuen Regeln

Künftig soll die Überwachung von "Einrichtungen der Europäischen Union, öffentlicher Stellen ihrer Mitgliedstaaten" oder von EU-Bürgern nur noch unter ähnlichen Voraussetzungen zulässig sein, die auch für das Abhören von Deutschen gelten - etwa zur Abwehr terroristischer Gefahren oder bei Verdacht des Waffenhandels. Solche Maßnahmen müssten laut dem Entwurf künftig vom BND-Präsidenten oder seinem Stellvertreter angeordnet und dem Kanzleramt mitgeteilt werden. Politische oder wirtschaftliche Spionage in Europa wäre dem BND damit untersagt.

Zudem soll künftig ein Gremium des Bundestags die Auslandsaufklärung des BND kontrollieren - infrage kommen hierfür das Parlamentarische Kontrollgremium oder die sogenannte G-10-Kommission, die heute bereits Abhöraktionen gegen deutsche Staatsbürger genehmigen muss. Den Vorschlag, wer für die parlamentarische Kontrolle zuständig sein soll, will das Kanzleramt den Abgeordneten überlassen. Der Kommission müssen laut dem Entwurf monatlich und vor Beginn die geplanten Abhör-Aktionen zur Prüfung der "Zulässigkeit und Notwendigkeit" vorgelegt werden. Nur in Eilfällen, etwa bei Entführungsfällen im Ausland, darf es Ausnahmen geben. Anordnungen, welche die Kommission für "unzulässig oder nicht notwendig" erachtet, müssen durch das Kanzleramt "unverzüglich" beendet werden.

Im Kanzleramt hätte man zunächst die Idee der nachträglichen Kontrolle favorisiert. Die SPD hingegen hatte das Anordnungsverfahren ins Spiel gebracht. Ohne vorherige Zustimmung der Parlamentarier darf demnach in der Regel nicht abgehört werden. Bei einer Umsetzung des Gesetzes müssten neue Stellen geschaffen werden. Im Kanzleramt sollen drei und beim BND voraussichtlich zwölf Planstellen neu besetzt werden.

"Wir dürfen den BND nicht entmannen", sagt der CSU-Mann

Die Vorschläge im Gesetzentwurf gehen weitgehend auf Forderungen der SPD zurück, die nach den Überwachungsskandalen der vergangenen Jahre ebenso wie Industrievertreter und Verfassungsrechtler auf eine Reform gedrungen hat. Innenpolitiker der SPD signalisierten jetzt Zustimmung zu den Vorschlägen des Kanzleramtes, verlangen aber in einem wichtigen Punkt Nachbesserungen: Die Regierung will die neuen Regeln nur gelten lassen, wenn die Abhör-Operationen aus Deutschland heraus stattfinden oder wenn sogenannte Transitverkehre - etwa am Internetknoten in Frankfurt - auf deutschem Boden abgefangen werden. Die SPD dagegen verlangt eine weltweite Gültigkeit bei den Abhörpraktiken. Das hatten auch Verfassungsrechtler gefordert.

Die SPD erhofft sich von der Reform auch eine Signalwirkung. In der Union gibt es offenbar Bedenken gegen den neuen deutschen Weg. Der innenpolitische Sprecher, Stephan Mayer (CSU), sagte: "Wir werden sehr genau schauen müssen, ob der jetzige Entwurf nicht zu weit geht, wir dürfen den BND nicht entmannen."

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Quelle:
SZ vom 19.01.2016
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