Geheimdienste:Ermittlungen in der NSA-Affäre eingestellt

Die Bundesanwaltschaft findet keine Hinweise für eine gegen Deutschland gerichtete Spionage durch den US-Geheimdienst.

Von Ronen Steinke, Berlin

Die Spionage-Ermittler des Bundes haben entschieden, die Überwachung deutscher Telekommunikation durch amerikanische und britische Geheimdienste nicht als feindliche Spionage zu werten. Vorermittlungen in diese Richtung würden beendet, teilte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag mit. Das Filtern des deutschen Telefon- und Internetverkehrs durch die amerikanische NSA oder das britische GCHQ ist zwar grundsätzlich belegt, vor allem durch die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag. Jedoch gebe es "keine Belege dafür, dass diese Techniken zielgerichtet gegen Deutschland eingesetzt worden sind", so die Karlsruher Anklagebehörde.

Das ist rechtlich der entscheidende Punkt: Ob sich das Lauschen fremder Agenten "gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet", wie es der Spionage-Paragraf 99 des Strafgesetzbuches voraussetzt, ist eine Frage der politischen Wertung. Zuständig ist auf Ebene der Ermittler allein die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Und sie verweist nun auf die Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Dieses ist für Spionageabwehr zuständig. Auch nach dessen Einschätzung sei es nicht rechtswidrig, wie US- und britische Geheimdienste den Datenstrom nach sogenannten Verkehrsdaten wie IP-Adressen oder Zeiteinstellungen filtern würden. Für weiter gehende, nicht mit Deutschland abgesprochene Massenüberwachung sehe man keine Beweise.

Der NSA-Untersuchungsausschuss hatte in der zurückliegenden Legislaturperiode freilich genau die Zusammenarbeit amerikanischer und britischer Dienste mit deren deutschen Gastgebern ausgeleuchtet, also mit hiesigen Nachrichtendiensten sowie dem Betreiber des Frankfurter Internetknotens De-Cix. Dass die deutschen Stellen diese Zusammenarbeit eher als Dienst am deutschen Interesse sehen denn als Schaden, überrascht nicht. Sie hatten oft erklärt, dass Deutschland in der Terrorabwehr abhängig sei von US-Hilfe, die ohne Gegenleistung nicht zu haben sei. Es liege im deutschen Interesse, sich am "Geben und Nehmen" mit Partnern "vor allem jenseits des Atlantiks" zu beteiligen, betonte Hans-Georg Maaßen, der Präsident des BfV, am Donnerstag im Bundestag. Man sei "abhängig davon, dass unsere Partner uns mit ihren Werkzeugen aushelfen".

Der Vizechef der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, kritisierte: "Jahrelang haben wir im NSA-Untersuchungsausschuss versucht, das massenhafte Abgreifen von Kommunikationsdaten durch amerikanische und britische Geheimdienste aufzuklären", die Entscheidung der Karlsruher Ermittler nun nannte er einen "Schlag ins Gesicht für die Bürgerrechte". Die Ermittlungen wegen des mutmaßlich abgehörten Handys der Kanzlerin sind bereits seit Juni 2015 beendet. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind auch die beim BND eingespeisten amerikanischen Selektoren kein Thema mehr, das die Karlsruher Ermittler beschäftigt. Die juristische Aufarbeitung der NSA-Affäre in Deutschland ist beendet.

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