Geheimdienste:Die Köpfe der BND-Affäre

Geheimdienste: Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, Peter Altmaier, Ronald Pofalla und Thomas de Maizière (von links). Collage: SZ.de

Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier, Peter Altmaier, Ronald Pofalla und Thomas de Maizière (von links). Collage: SZ.de

In der BND-Affäre müssen Geheimdienstmitarbeiter viel Kritik einstecken. Verantwortlich sind aber die Politiker. Von Merkel bis Steinmeier - wer in der BND-Affäre wann was gewusst haben muss.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die neue BND-Affäre hat das politische Berlin aufgerüttelt. Der amerikanische Militärgeheimdienst NSA soll den BND über Jahre hinweg mit Suchbegriffen, so genannten Selektoren, gefüttert haben, die der BND gar nicht verwenden darf. Egal was der BND macht - verantwortlich sind am Ende Politiker. Von Merkel über Altmaier, Pofalla und de Maizière bis Steinmeier - die wichtigsten Beteiligten:

Angela Merkel - Kanzlerin seit 2005

Das wird ja manchmal vergessen, aber oberste Chefin im Bundeskanzleramt ist natürlich die Kanzlerin: Angela Merkel. Ihr untersteht der Bundesnachrichtendienst. Und das ununterbrochen, seit sie erstmals in das Amt gewählt wurde, also seit Herbst 2005. Gemeinsame Ausspäh-Projekte wie Eikonal am Datenknoten in Frankfurt waren da schon voll im Gange.

Geheimdienste: Angela Merkel

Angela Merkel

(Foto: AP)

2005 soll auch das Jahr gewesen sein, in dem BND-Mitarbeiter erstmals stutzig geworden sind, was die Qualität der Suchbegriffe oder Selektoren angeht, mit denen der amerikanische Geheimdienst NSA den BND fast täglich versorgt hat. Sehr wahrscheinlich haben Merkel diese und andere Dinge nie persönlich erreicht. Allerdings hat sie - ebenso wahrscheinlich - auch nicht nachgefragt.

Warum auch? Merkel, das war damals diejenige, die ihren Vorgänger Gerhard Schröder dafür kritisiert hat, mit seinem Nein zum Irakkrieg die Amerikaner verprellt zu haben. Die deutsch-amerikanische Freundschaft galt und gilt ihr als heilig. Dass ihr Handy abgehört worden sein soll, hat zwar für eine gewisse Abkühlung gesorgt. Passiert aber ist nichts.

Die Aufklärung, die Merkel damals und jetzt wieder versprochen hat, fand zumindest seitens der Bundesregierung nur schleppend statt. Lieber scheint Merkel in Kauf zu nehmen, dass der Bundenachrichtendienst in einem schlechten Licht dasteht, als dass die Beziehung zu den Amerikanern leidet.

Peter Altmaier - Kanzleramtsminister seit 2013

PK zum Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik

Peter Altmaier

(Foto: picture alliance / dpa)

Wer Kanzleramtsminister wird, übernimmt auch die Aufsicht über die Geheimdienste. Als solcher ist Altmaier der letzte Prellbock, bevor schmutzige Details im Büro der Kanzlerin landen müssen. Altmaier hat das Amt übernommen, wenige Monate nachdem die weltumspannende NSA-Affäre durch die Dokumente von Edward Snowden öffentlich geworden ist.

Sein Job wäre danach gewesen, die Aufklärung voranzubringen. Stattdessen hat er den Job genauso gemacht wie alle seine Vorgänger: Möglichst alles unter der Decke halten. Mit dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages lieferte er sich Fingerhakeleien um geschwärzte Akten, um die Ladung des Zeugen Snowden nach Deutschland und um falsche Vollständigkeitserklärungen für übermittelte Akten des Kanzleramtes an den NSA-Ausschuss.

In Briefen droht er den Abgeordneten schon mal indirekt mit Knast, sollte er spitz kriegen, dass von dort geheime Informationen an die Presse gelangen. Auf seine Kappe dürfte auch gehen, dass noch Mitte April eine parlamentarische Anfrage der Linken zu möglicher Wirtschaftsspionage durch die NSA von deutschem Boden aus verneint wurde. Zu einem Zeitpunkt, als er längst anderslautende Hinweise aus dem BND gehabt haben muss. Kaum vorstellbar ist, dass Altmaier gegen den Willen der Kanzlerin handeln würde.

Ronald Pofalla - Kanzleramtsminister 2009 bis 2013

Ronald Pofalla

Ronald Pofalla

(Foto: dpa)

Im Sommer 2013 bricht über Kanzleramtsminister Ronald Pofalla die NSA-Affäre hinein. Der Verdacht: Die NSA hat deutsche Bürger millionenfach ausgespäht. Es folgten Sondersitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Die Zahl von 500 Millionen Daten stand plötzlich im Raum, die der BND an die NSA weitergeleitet haben soll.

Es stellte sich heraus, dass diese aus der Auslandsaufklärung des BND in Afghanistan stammten. Pofalla erklärte damit die Affäre für "beendet". Was zu einem lauten Auflachen in der Öffentlichkeit führte. Tatsächlich fing die Affäre gerade erst an. Wenig später tauchten Dokumente auf, die belegten, dass die NSA wohl auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel abgehört hat.

Pofalla hätte schon 2009 und 2010 aufhorchen können. Da erreichten wiederholt Hinweise aus dem BND sein Amt, dass in der Zusammenarbeit mit der NSA nicht alles nach den Regeln läuft. Konkret, dass die NSA mit Hilfe des BND irgendetwas über deutsch-europäische Unternehmen wie EADS, Eurocopter und "französische Behörden" herausfinden will.

Geändert hat sich danach nichts. Als es nach der Bundestagswahl 2013 um die Postenverteilung im Kabinett der großen Koalition ging, lehnte Pofalla eine weitere Amtszeit dankend ab. Jetzt ist er Lobbyist der Deutschen Bahn.

Thomas de Maizière - Kanzleramtsminister 2005 bis 2009

Geheimdienste: Thomas de Maizière

Thomas de Maizière

(Foto: AP)

Er war Merkels erster Kanzleramtsminister. Ihn soll auch die erste bekannte Meldung erreicht haben, dass etwas in der Zusammenarbeit zwischen BND und NSA nicht stimmt, dass die NSA damit womöglich Interessen verfolgt, die keine gemeinsamen seien. So soll es 2008 sinngemäß in einem Vermerk als Vorbereitung für eine Dienstreise de Maizières in die USA gestanden haben. Allerdings war das wohl noch ein sehr vager Hinweis.

In seine Amtszeit fällt auf jeden Fall das Ende der Operation Eikonal, in der BND und NSA gemeinsam am Datenknoten Frankfurt Glasfaserleitungen der Telekom anzapften. Angeblich wurde die Operation wegen Erfolglosigkeit beendet. Die enge Zusammenarbeit mit der NSA und anderen US-Geheimdiensten lief aber weiter.

Unwahrscheinlich, dass de Maizière darüber gar nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Über die Kooperationen soll es im BND zu großen Auseinandersetzungen gekommen sein. De Maizière ist heute Bundesinnenminister.

Frank-Walter Steinmeier - Kanzleramtsminister 1999 bis 2005

Frank-Walter Steinmeier

Frank-Walter Steinmeier

(Foto: dpa)

Mit Frank-Walter Steinmeier als Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder begann die neue Phase der engen Kooperation mit den US-Geheimdiensten, speziell der NSA. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war die Bundesregierung erheblich unter Druck geraten.

Einige der Terroristen, die vollbesetzte Passagiermaschinen in die Twin Towers von New York lenkten, haben lange Zeit in Hamburg gelebt - ohne dass die deutschen Geheimdienste davon etwas mitbekommen haben. Schröder versicherte den USA die "uneingeschränkte Solidarität" der Deutschen. Das galt wohl auch für die Zusammenarbeit mit der NSA.

Bereits ein halbes Jahr nach den Anschlägen vereinbarten BND und NSA 2002 ein "Memorandum of Understandig", das die künftige Zusammenarbeit regelte. Sicher nicht ohne Wissen von Steinmeier. Der Deal: Technik gegen Informationen. 2004 wurde die technisch hochgerüstete NSA-Satelliten-Abhöranlage in Bad Aibling dem BND übergeben.

Die NSA blieb aber vor Ort in einem abgeschirmten Gebäude mit dem Spitznamen "Blechbüchse". Dort sollte der BND der NSA alle relevanten Daten zur Terrorismusbekämpfung übergeben. Ein Begriff, den die NSA offenbar sehr weit ausgelegt hat. Womöglich zu weit. Spätestens 2005 soll BND Mitarbeitern aufgefallen sein, dass etwas nicht in Ordnung ist mit den Suchbegriffen (Selektoren), die die NSA auf BND-Rechnern einsetzen ließ. Steinmeier ist heute Bundesaußenminister.

Die Spionageaffäre des Bundesnachrichtendienstes (BND)
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