Geheimdienste:Codename Chamäleon

Nach Vögeln und Haien geraten nun auch Reptilien unter Spionageverdacht.

Von Moritz Baumstieger

Die Haut des Chamäleons gehört zu den größten Wundern der Natur. Jahrzehnte vergingen, bis Wissenschaftler das Geheimnis lösten, wie der Farbwechsel bei den Echsen funktioniert. Erst 2015 fand die Universität Genf den Schlüssel: In speziellen Hautteilen reflektieren Nanokristalle das einfallende Licht. Die gitterförmig angeordneten Kristalle können mehr oder weniger zusammengezogen werden - der Abstand bestimmt, welches Spektrum der Lichtstrahlen reflektiert wird.

Der oberste Militärberater von Irans Religionsführer Ali Chamenei hat nun eine weitere sensationelle Eigenschaft enthüllt: Nach Angaben von Hassan Firuzabadi können Chamäleons mithilfe ihrer Haut auch "atomare Wellen" aufspüren. Um Uranminen und nukleare Einrichtungen in Iran zu finden, seien ausländische Agenten deshalb in den vergangenen Jahren mit Chamäleons, Geckos und Eidechsen durch das Land gereist.

Die These von Firuzabadi, der als Augenarzt eigentlich etwas von Wissenschaft verstehen müsste, löste bei Experten Gelächter aus - schon weil der vermeintliche Fachterminus "atomare Wellen" ebenso erfunden zu sein scheint wie die Sensibilität der Echsenhaut für Radioaktivität. Der Anlass für Firuzabadis Geschichte war hingegen weniger lustig: Er tischte sie als Beleg dafür auf, dass Reisende im iranischen Hinterland oft Böses im Schilde führen. So wollte er die Festnahmen von Umweltaktivisten rechtfertigen, die sich in Iran zuletzt gehäuft hatten.

Dass Hassan Firuzabadi die Echsen-Agenten erfand, um Fragen lokaler Medien zu parieren, folgt einem bekannten Muster. Die Liste von Tieren, die der islamischen Welt im Auftrag des Westens angeblich schaden sollten, ist lang: In Iran wurde 2007 ein Spionagering von 14 Eichhörnchen enttarnt, die mit spezieller Lauschtechnik ausgestattet gewesen sein sollen. Ein Jahr später verkündete Teheran die Festnahme zweier Spähtauben, die sich nahe der Uran-Anreicherungsanlage Natanz auffällig verhielten.

Auch auf der anderen Seite des Arabischen beziehungsweise Persischen Golfes ist die Abwehr aufmerksam: Saudi-Arabien will 2011 einen Adler des Mossad abgefangen haben, die radikal-islamische Hamas behauptete 2015, ihr sei vor Gazas Küste ein mit Kameras und Todespfeilen ausgerüsteter Delfin ins Netz gegangen. Und Ägypten ließ 2010 einen angeblichen Sabotageplan des Mossad auffliegen, der mit dressierten Haien dem Tourismus auf dem Sinai schaden wollte.

Bei den meisten dieser tierischen Agententhriller dürften den Offiziellen die Gäule durchgegangen sein. Dass Tiere immer wieder bei Spionage und Abwehr eingesetzt werden, ist jedoch belegt. Wirkliche Top-Agenten scheinen sie aber nicht immer zu sein: So stoppte im Dezember die niederländische Polizei ein Programm für Adler; die teuren Vögel sollten Drohnen unschädlich machen, gehorchten aber schlecht. Legendär ist auch das Scheitern des "Acoustic Kitten"-Programms: In den Sechzigerjahren investierte der US-Geheimdienst CIA 20 Millionen Dollar, um Katzen in sowjetische Botschaften einzuschleusen. Das Implantieren von Mikrofonen und Sendern unter das Fell gelang - doch gleich das erste Tier wurde auf seiner Mission von einem Taxi überfahren.

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