Süddeutsche Zeitung

Geheimdienste:Abhören mit Auflagen

Das Bundeskanzleramt legt einen Gesetzentwurf vor, wonach der Bundesnachrichtendienst Journalisten nur noch in Ausnahmen belauschen darf. Und reagiert damit auf umfangreiche Proteste und eine Verfassungsbeschwerde.

Von Ronen Steinke, Berlin

Wenn der Bundesnachrichtendienst (BND) weltweit Telefone anzapft oder E-Mails mitliest, soll er künftig mehr Respekt vor ausländischen Journalistinnen und Journalisten zeigen. Dieses Zugeständnis macht die Bundesregierung in einem neu überarbeiteten Gesetzentwurf für ein reformiertes BND-Gesetz, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Zuvor hatte es scharfe Kritik am BND gegeben.

Journalisten hatten darauf hingewiesen, dass sie mit Informanten vertraulich sprechen können müssen, besonders wenn diese die Verfolgung durch ein ausländisches Regime fürchten. Journalistenverbände hatten daher eine Verfassungsbeschwerde gegen den BND angestrengt und im Mai spektakulär gewonnen.

Während es in einem ersten Gesetzentwurf aus dem Bundeskanzleramt vor zwei Monaten noch geheißen hatte, der BND solle ausländische Journalisten künftig immer dann abhören dürfen, wenn dadurch "Erkenntnisse" über "krisenhafte Entwicklungen im Ausland" gewonnen werden könnten, hat sich die Regierung nun offenbar umstimmen lassen. "Die Hürden sind jetzt deutlich, deutlich höher", sagt der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. Das habe ihn überrascht. Offenbar hätten sich die Diskussionen der vergangenen Wochen gelohnt.

Nach dem neuen, überarbeiteten Entwurf, der seit wenigen Tagen fertig ist, darf der BND ausländische Journalisten nur noch belauschen, wenn diese selbst Täter oder Teilnehmer bestimmter schwerer Straftaten sind. Oder wenn dies "notwendig ist zur Verhinderung einer Gefahr" für Leib oder Leben, lebenswichtige Güter oder den Bestand eines EU-Staats oder der Nato.

Die Abhörpraktiken des BND prüft ein unabhängiger Kontrollrat

Kern der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Reform ist, dass in Deutschland ein völlig neues System der Kontrolle der BND-Abhörpraktiken geschaffen wird. Die Bundesregierung spricht im Gesetzentwurf von einem "Unabhängigen Kontrollrat" aus sechs erfahrenen Juristinnen und Juristen, die von Bundestagsabgeordneten gewählt werden sollen. In der ersten Fassung des Gesetzentwurfs vor zwei Monaten stand noch, dass der BND in Ausnahmefällen aus Gründen des "Staatswohls" Dinge vor diesem Kontrollrat geheim halten dürfe. Auch an diesem Punkt gibt die Bundesregierung nun der Kritik nach. Der künftige Kontrollrat soll alles einsehen dürfen.

Weiterhin soll aber die Einschränkung gelten, dass die Kontrolleure vor solchen IT-Systemen Halt machen müssen, die der BND mit ausländischen Geheimdiensten gemeinsam betreibt. Auch Gebäude, in denen der BND etwa mit dem US-Abhörgiganten NSA zusammenarbeitet, sollen die Mitglieder des Kontrollrats demnach nicht betreten dürfen. Das könnte in der Praxis sehr wichtig werden. Der BND arbeitet in vielen Bereichen eng mit ausländischen Geheimdiensten zusammen, die sich eine Kontrolle durch eine von der Regierung unabhängige Instanz in Deutschland verbitten wollen. Dieser Bereich könnte einer rechtsstaatlichen Kontrolle unzugänglich bleiben.

Auch aus diesem Grund spricht der Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Ulf Buermeyer, der im Mai gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen in Karlsruhe gegen den BND gesiegt hatte, von einer "Provokation". "Nach wie vor versucht die Bundesregierung, entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2020 eine wirklich effektive und unabhängige Kontrolle des BND zu verhindern." Das Problem beschränkt sich nicht allein auf die Zusammenarbeit mit fremden Staaten. Auch wenn der BND mit inländischen Stellen wie etwa dem Bundeskriminalamt oder dem Verfassungsschutz kooperiert, soll dies dem Einblick durch die Kontrolleure entzogen bleiben.

Dies betrifft die sogenannten projektbezogenen gemeinsamen Dateien, die der BND etwa mit dem Bundeskriminalamt für je fünf Jahre gemeinsam führt und die er nach dem neuen Gesetzentwurf künftig auch mit der Bundeswehr gemeinsam führen soll. Der Gesetzentwurf aus dem Kanzleramt soll nun am 16. Dezember im Bundeskabinett beschlossen und im Frühjahr im Bundestag debattiert werden.

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