Geheimdienste:"Abschreckende Beispiele"

Geheimdienste: David Anderson, Beauftragter der britischen Regierung.

David Anderson, Beauftragter der britischen Regierung.

(Foto: oh)

Britische Spione werden von Richtern kontrolliert. Ein Modell für Deutschland?

Interview von Ronen Steinke

Das Vaterland von James Bond und John le Carré hat seine Geheimdienste MI6 und GCHQ kürzlich unter strengere Aufsicht gestellt. Großbritanniens Spione werden seither von Richterinnen und Richtern kontrolliert. Dieses Modell hat jüngst das Bundesverfassungsgericht in seinem BND-Urteil zur Nachahmung empfohlen. Entwickelt hat es David Anderson, er war Londons Unabhängiger Beauftragter zur Terrorismusgesetzgebung. Der Anwalt und Professor, 58, ist anschließend ins House of Lords berufen worden.

SZ: Lord Anderson, der britische Geheimdienst muss seit 2016 ständig vor Richtern erklären, was er tut. Adieu, Geheimhaltung?

David Anderson: Beim Entwerfen der neuen britischen Rechtslage hatte ich abschreckende Beispiele aus der Historie vor Augen. Aus den USA, wo die CIA von der Regierung ermächtigt wurde, die Frauenbewegung der 1960er-Jahre auszuspionieren, oder die Ehe von Martin Luther King zu zerstören. Oder aus Kanada, wo die Bundespolizei ebenfalls von der Regierung ermächtigt wurde, die Mitglieder der legalen Separatistenpartei auszuforschen. In diesen Demokratien war die Folge aus diesen Skandalen des 20. Jahrhunderts, dass man solche Entscheidungen in die Hände von unabhängigen Richtern gelegt hat. Wir in Großbritannien sind jetzt nachgezogen.

In Deutschland muss der Auslandsgeheimdienst, der Bundesnachrichtendienst, bis heute nur selten vor Richtern vorsprechen. Ist die britische Regelung überhaupt praktikabel für Spione?

Natürlich tagen die Richter, die bei uns in der neu geschaffenen Investigatory Powers Commission sitzen, hinter verschlossenen Türen. Es gibt keine Zuschauer. Es gibt auch keine Anwälte. Aber umso wichtiger ist, dass diese Richter höchstes Vertrauen in ihre Unabhängigkeit genießen. Die Überwachung großer Datenströme, wie sie heute das Geschäft moderner Geheimdienste ist, hilft sehr bei der Bekämpfung von Menschenhandel oder Terrorismus. Gleichzeitig werden dabei aber immer zahlreiche Menschen mit überwacht, die nicht selbst verdächtig sind.

Wie wichtig ist es, dass die Öffentlichkeit auch etwas mitbekommt?

Bei uns hat es da durchaus öffentliche Auseinandersetzungen gegeben. Der letzte Vorsitzende der Commission war Sir Adrian Fulford, ein ehemaliger Richter des Internationalen Strafgerichtshofs. Er stritt sich offen mit dem GCHQ, und er strafte unseren Inlandsnachrichtendienst MI5 sogar für eine Weile ab, nachdem dieser zugegeben hatte, dass er nicht angemessen dokumentiert hatte, wie bestimmte Informationen erlangt wurden. Eine anerkannte Kontrollinstanz hilft sehr, damit Bürger sich darauf verlassen können, dass die Geheimdienste sich nicht über ihre Grenzen hinwegsetzen. Ich denke, man könnte da auch noch weitere Schritte gehen in Richtung Transparenz.

Der BND kooperiert stark mit anderen Diensten, vor allem amerikanischen. Details, so sagt der BND, dürfe man nicht vor Richtern offenlegen. Dies würden die USA sich verbitten.

Es gilt, wie auch im Falle Großbritanniens: Ein Staat, der Ihnen Geheimdienstinformationen gibt, sollte sich vorab damit einverstanden erklären müssen, dass diese Informationen in Deutschland von den zuständigen Kontrollinstanzen überprüft werden. Zum Beispiel auf die Frage hin, ob sie rechtmäßig erlangt worden sind. In Großbritannien stehen wir vor dem selben Problem. Ob das auch politisch klappt, hängt natürlich schlicht gesagt davon ab, ob die USA es akzeptieren.

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