Geheimdienstaffäre:Der Geist von Bad Aibling

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Wenn BND-Mitarbeiter zu den NSA-Kollegen wollen, müssen sie an der Tür klingeln: der Lauschposten in Bad Aibling. (Foto: Getty Images)
  • Früher arbeiteten BND und NSA in Bad Aibling eng zusammen. Bad Aibling war mal einer der wichtigsten Lauschposten der Amerikaner im Kalten Krieg, Tausende US-Geheimdienstler arbeiteten dort.
  • Heute sind nur noch zehn Mitarbeiter in einem fensterlosen Raum auf der Abhöranlage stationiert.
  • Trotzdem erwecken die jüngsten Enthüllungen und Aussagen von BND-Mitarbeitern, dass die Amerikaner, obwohl sie in der Minderheit und die Deutschen die Hausherren sind, großen Einfluss auf den BND in Bad Aibling haben.
  • Ohne die Amerikaner läuft wenig in Bad Aibling. Zwei- oder dreimal am Tag holt sich der BND von einem amerikanischen Server die Suchbegriffe ab, die dann eingestellt werden. Bei technischen Problemen werden immer wieder die Leute von der NSA konsultiert.

Von J. Goetz, H. Leyendecker und G. Mascolo, Berlin

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat etwa 6000 Beschäftigte und auch jemanden, der sich um Datenschutz kümmert. Es gebe "eine Datenschutzbeauftragte", hat ein Nachrichtendienstler im NSA-Untersuchungsausschuss gesagt, "eine Dame."

Die "Dame" hat im Sommer 2013 den Horchposten Bad Aibling besucht und danach war ihr offenbar, wie einem vertraulichen dreiseitigen Vermerk des Dienstes zu entnehmen ist, ein bisschen unwohl. "Trotz entsprechender Bitte" sei sie "nicht vollumfänglich" über die Arbeit in der BND-Liegenschaft 3D30, wie Bad Aibling hausintern heißt, informiert worden. Wichtige Themen seien "ausgeklammert" worden. Sie habe den "Eindruck gewonnen", dass die Abteilung Technische Aufklärung, die für Bad Aibling zuständig ist, "willentlich oder unwillentlich wichtige Informationen zurückgehalten" habe.

Ein fachkundiger Kollege habe gesagt, die Abteilung neige dazu, "sensitive Dinge sehr kryptisch auszudrücken, beziehungsweise beschönigend zu formulieren". Von einer "absichtlichen Fehlinformation" gehe er allerdings nicht aus. Der Vermerk über die Heimsuchung durch die Datenschutzbeauftragte stammt vom 20. August 2013.

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Seit Anfang der Woche stellt die Abhörstation in Bad Aibling dem US-Geheimdienst NSA keine Informationen zur Internet-Überwachung mehr zur Verfügung. Damit reagiert der BND auf die Enthüllungen der vergangenen Tage.

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Nur sechs Tage vorher war es zu einer brisanten Entdeckung gekommen. Ein BND-Sachbearbeiter in Bad Aibling hatte herausgefunden, dass in einer aktiven Suchdatei der NSA Tausende von E-Mail-Accounts europäischer Politiker und europäischer Institutionen zu finden waren. Er hatte dann in einer Mail den Chef von 3D30 gefragt, was er mit seinem Fund machen solle, und der hatte ihm nur ein Wort zurückgeschrieben: "Löschen". Das war's.

So machen es manchmal Kinder

Den Beteuerungen und Erklärungen der BND-Spitze und des Kanzleramts zufolge sind die Oberen erst im März 2015 über den brisanten Fund in der eigenen Station informiert worden. Rätselhafter BND, rätselhafter Horchposten Bad Aibling.

Natürlich lässt sich leicht darüber spekulieren, warum es so ist, wie es angeblich ist. Vielleicht ist die Bedeutung des Vorgangs vor Ort unterschätzt worden, oder da hat einer gemeint: gelöscht ist weg. So machen es manchmal Kinder, wenn sie Verstecken spielen. Sie halten sich die Hände vors Gesicht, damit sie nicht gesehen werden.

Möglicherweise kommen bei der erst angelaufenen Aufklärung dieser Affäre noch andere Sachverhalte zum Vorschein, aber ein bisschen hat das alles schon mit dem Geist von Bad Aibling zu tun. Von "Amerikanisierung" hat ein Unterabteilungsleiter des BND in Bezug auf die Vorgänge in Bad Aibling gesprochen. Ein Kollege von ihm hat den Begriff "Stockholm" verwendet, um die Lage zu erklären. Der Begriff meint in diesem Zusammenhang, dass der eine vom anderen dessen Sicht übernimmt.

Die NSA war schon damals unersättlich

Bad Aibling war mal einer der wichtigsten Lauschposten der Amerikaner im Kalten Krieg. Tausende US-Geheimdienstler arbeiteten in der Anlage. Der Feind saß im Osten. Die NSA war schon damals unersättlich. Bei der Aufarbeitung der abgefangenen Unterlagen, das hat die Washington Post mal geschrieben, sei so viel Papier produziert worden, dass es "selbst der liebe Gott nicht durchsehen und verarbeiten könnte, wenn er nicht bereits wüsste, was der Russe vorhat".

Der BND war seit 1988 in Bad Aibling vertreten. 2004 gaben die Amerikaner das Gelände der Stadt zurück. Es gab eine Parade durch die Innenstadt. Feierlich wurde das Areal in die Obhut der Deutschen übergeben. Eine kleine Gruppe der NSA blieb. In dem Organigramm des BND tauchte ein neues Sachgebiet auf: BND und NSA gründeten eine Arbeitsgruppe zur gemeinsamen technischen Aufklärung namens JSA, das ist die Abkürzung für Joint SIGINT Activity, auf deutsch: gemeinsame elektronische Aufklärung. Daneben gab es noch das Joint Analysis Center, JAC abgekürzt, das die abgefangenen Signale gemeinsam auswertete.

Die Rollen schienen klar verteilt zu sein. Hausherren waren die Deutschen. Am Standort Bad Aibling hat der BND etwa 120 Mitarbeiter. Nicht einmal zehn hat dort die NSA. Die Gruppen JSA und JAC wurden vor ein paar Jahren aufgelöst. Aber die NSA blieb. Die Geheimdienstler arbeiten auf dem Gelände in einem fensterlosen Gebäude, das "Blechdose" genannt wird. Wenn BND-Mitarbeiter reinwollen, müssen sie an der Tür klingeln. Das gehört sich so.

Zum Geist von Aibling gehört die Erkenntnis, dass ohne die Amerikaner wenig läuft. Zwei- oder dreimal am Tag holen sich die vom BND von einem amerikanischen Server die Suchbegriffe ab, die dann eingestellt werden. Zuvor wird natürlich in der Zentrale in Pullach überprüft, ob deutsche Staatsbürger darunter sind. Dann darf meist nicht gesucht werden. Die Europäer sind wohl oft vergessen worden.

Wenn es technische Probleme in Bad Aibling gibt, werden immer wieder die Leute von der NSA konsultiert. Die stellen dann eine Verbindung zu Programmierern in den USA her, die alle Fehler beheben sollen. Als "koordinierende Tätigkeit", hat ein BND-Mitarbeiter das Wirken der Amerikaner in solchen Fällen beschrieben.

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In Bad Aibling werden stündlich Millionen Daten abgefischt - die NSA liefert die Technik und freut sich über die Hilfsdienste des BND. An einem Augusttag im Jahr 2013 fragt ein Beamter, wonach die Amerikaner eigentlich genau suchen. Über den Beginn eines Albtraums.

Von Georg Mascolo und John Goetz

Im Berliner NSA-Untersuchungsausschuss hat vor einigen Monaten der Chef der Station, der BND-Mitarbeiter R.U., die Zusammenarbeit so beschrieben: "Natürlich ist das schon ein Geben und Nehmen, wie es auch mit anderen Diensten ist. Wir bekommen von den Amerikanern hochwertige Technik, und im Gegenzug werden Selektoren von ihnen eingestellt." Als er dann sagte: "Und sie kriegen weiterhin von uns . . ." wurde er leider unterbrochen, weil ein Abgeordneter den Begriff "Outsourcing" einwarf.

Ob man in Bad Aibling mit denen von der NSA über die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden gesprochen habe, wollten Abgeordnete wissen. "Nein", lautete die Antwort. Snwoden sei wirklich kein Thema gewesen. Nicht mal in der Kantine. "Wir, ich, in Bad Aibling hatten mit den Amerikanern diesbezüglich nie inhaltliche Unterhaltungen", sagte ein Nachrichtendienstler im Ausschuss. Wahrscheinlich war es genau so.

Kein Wort über die Löschaktion

Mit viel Tamtam wurde im Dezember 2013 eine Delegation des Berliner Bundesbeauftragten für den Datenschutz in Bad Aibling empfangen. Ein Abgesandter aus dem Kanzleramt war angereist, aus Pullach kam ein Abteilungsleiter in Vertretung. Über die deutsch-amerikanische Geschichte in Bad Aibling hielt der Leiter der Liegenschaft 3D30 einen Vortrag und dabei sprach er, so behauptete er jedenfalls, auch das an, was "aktuell" vorliege.

Kein Wort über die Löschaktion, nichts über die Probleme in Bad Aibling. Der Bundesbeauftragte fragte, warum die NSA die Erfassung nicht selber durchführe und "wie viel Wertschöpfung die NSA aus der Zusammenarbeit mit dem BND ziehe". Diese Frage, so steht es in einem geheim gehaltenen Papier des Nachrichtendienstes, könne "ohne Nachfrage bei der NSA nicht beantwortet werden". Man gehe davon aus, dass sich die Sache für die NSA rentiere.

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Die Frage, ob Bad Aibling so etwas wie ein rechtsfreier Raum sei, wurde auch gestellt. Nein! Der BND bewege sich auch im Ausland nicht im rechtsfreien Raum, wurde versichert. Der Mitarbeiter des Kanzleramts formulierte bei dieser Gelegenheit den schönen Satz, bei der Anlage in Bad Aibling handele es sich nicht um ein "sogenanntes Daten-Guantanamo im BND".

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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