Österreich:Merkels Ex-Spionagechef im Sog der Ibiza-Affäre

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Seit März berät Klaus-Dieter Fritsche das österreichische Innenministerium bei der Umgestaltung des Nachrichtendienstes. (Foto: picture alliance / Bernd von Jut)
  • Seit März berät Klaus-Dieter Fritsche das österreichische Innenministerium bei der Umgestaltung des Nachrichtendienstes.
  • In Deutschland war er zuvor Vizepräsident im Bundesamt für Verfassungsschutz, in der Führungsetage des Bundesinnenministeriums und Geheimdienstkoordinator.
  • Das Wiener Innenministerium hält sich noch offen, wie es mit Fritsche weitergeht, nachdem die Ibiza-Affäre FPÖ-Innenminister Kickl aus dem Amt gefegt hat.

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke, Berlin

Wann immer in diesen Tagen im Berliner Regierungsviertel über die ungewisse Zukunft der österreichischen Nachbarrepublik diskutiert wird, geht es nicht nur um die FPÖ, ein skandalöses Video oder den gerade erst gestürzten Kanzler Sebastian Kurz. Es geht auch um die Zukunft des wohl bekanntesten deutschen Gastarbeiters in Wien. Sein Name ist Klaus-Dieter Fritsche. Sein halbes Arbeitsleben hat er den deutschen Spionageapparat dirigiert: Erst als Vizepräsident im Bundesamt für Verfassungsschutz, danach in der Führungsetage des Bundesinnenministeriums, und zuletzt gehörte der CSU-Mann als Geheimdienstkoordinator vier Jahre lang zum Führungsteam im Kanzleramt. "Ich bin froh, 21 Jahre als politischer Beamter überlebt zu haben," sagte er, als er im März in Pension ging.

Das derzeitige Überleben in Österreich ist dagegen nicht mehr garantiert, dabei hat Fritsche seinen neuen Job eigentlich gerade erst angetreten. Seit März berät er nämlich das dortige Innenministerium bei der Umgestaltung des Nachrichtendienstes, sein Vertrag läuft noch bis November. Als Vergütung vereinbart sind je nach Leistung bis zu 79 000 Euro, einschließlich Mehrwertsteuer. Fritsche hat ein Büro beim österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Amtsgebäude in der Rennweggasse. Selbst in den derzeit turbulenten Tagen, so berichten es Zeugen, kam Fritsche zum Dienst. Dabei ist der Mann, den er beraten sollte, schon gar nicht mehr im Amt.

Es ist der soeben geschasste FPÖ-Innenminister Herbert Kickl, ein besonders radikaler Vertreter seiner Partei. Die Parole "Wiener Blut - zu viel Fremdes tut niemand gut" stammt von ihm, und als Herr über Österreichs Polizisten und Spione sagte er Dinge wie: "Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht." Im Januar gab es ein erstes Gespräch des FPÖ-Manns mit Fritsche. Am 5. Februar schon wurde der Vertrag unterzeichnet. Das war vielleicht etwas voreilig von Fritsche. Denn erst mit Brief vom 21. Februar teilte das Bundeskanzleramt seinem Geheimdienstkoordinator a. D. "abschließend" mit, dass "keine Einwände" gegen seinen neuen Job bestünden, weil "Interessen" der Bundesregierung nicht beeinträchtigt seien.

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Dass jemand mit Fritsches Vergangenheit so mühelos als Berater in einem Nachbarland anheuern konnte, irritiert viele in den deutschen Sicherheitsbehörden. Fragt man danach, werden Augenbrauen hoch- und Mundwinkel nach unten gezogen. "Schwierig" ist ein Wort, das dann fällt, "sonderbar" oder "ich hätte das nicht gemacht". Auch weil der FPÖ-Mann Kickl eine so problematische Figur sei. Unter seiner Ägide stürmten im vergangenen März Polizisten in die streng abgeschirmten Büros des österreichischen Verfassungsschutzes. Die Polizisten nahmen Datenträger mit, auch mit Informationen zur Überwachung von Rechtsextremisten, zu denen Kickls FPÖ Verbindungen pflegte. Von einem "staatsstreichähnlichen Vorgehen" sprachen damals Politiker auch in Deutschland. Seither vertrauen die europäischen Nachrichtendienste den Österreichern nur noch bedingt.

Dass Deutschland eng befreundeten Ländern auch in Sicherheitsfragen aushilft, ist nichts Ungewöhnliches. Dann entsendet Berlin etwa altgediente Abteilungsleiter. Dass aber der ehemalige erste Mann der deutschen Geheimdienst-Community in einem fremden Land anheuert - das gab es noch nie.

Wiener Innenministerium hält sich offen, wie es mit Fritsche weitergeht

Wer auf die Idee für die Berufung Fritsches kam, ist bis heute umstritten. In Wien kursiert das Gerücht, dass die deutsche Bundesregierung ihr ehemaliges "Mastermind der Sicherheitsarchitektur" (so Kickl über Fritsche) regelrecht angeboten habe. Tatsächlich aber fragten die Österreicher wohl den deutschen Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke im November nach einem externen Berater. Engelke nannte drei Namen, die theoretisch über die Expertise verfügen würden: die beiden ehemaligen BND-Präsidenten August Hanning und Gerhard Schindler - und eben Fritsche. Dass es Fritsche werden würde, erfuhr das Innenministerium erst, als dieser das Kanzleramt über seinen Karriereschritt in Kenntnis setzte.

Das Wiener Innenministerium hält sich noch offen, wie es mit Fritsche weitergeht, nachdem die Ibiza-Affäre Minister Kickl aus dem Amt gefegt hat. Man könne dies "zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren", sagt ein Sprecher. In Deutschland steigt dagegen der Druck. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka hat die Bundesregierung mit Blick auf die sichtbar gewordene Nähe zwischen FPÖ und Russland aufgefordert, Fritsche sofort zurückzubeordern. Seine Tätigkeit in Wien sei "ein Sicherheitsrisiko für unser Land".

Im Bundestag haben die Geheimdienstkontrolleure den Fall schon diskutiert, neben Grünen und Linken fordert auch FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae, dass Fritsche zurückgepfiffen wird: "Gerade nach den jüngsten Enthüllungen über die Pläne der FPÖ zur Aushebelung der Pressefreiheit und zur Umgehung einer transparenten Parteienfinanzierung kann die Bundesregierung nicht so tun, als sei die Tätigkeit des ehemaligen Geheimdienstbeauftragten für eine ausländische Regierung eine reine Formsache." Gut möglich, dass Fritsche sein Büro in der Rennweggasse nicht mehr allzu lange braucht.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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