Geheimdienst-Affäre:Maus spielt Katze

Erich Schmidt-Eenboom gilt als der schärfste Kritiker des Bundesnachrichtendienstes. Dabei war er selbst Spitzel.

Annette Ramelsberger

Für den Bundesnachrichtendienst (BND) war es ein genialer Schachzug. Im Jahr 2002 konnte der Dienst einen Mann für sich gewinnen, der bis dahin als sein schärfster Kritiker aufgefallen war: Erich Schmidt-Eenboom, ein Publizist aus Weilheim, der mehrere Bücher über den BND geschrieben hatte.

Bücher, in denen er nach Einschätzung des Dienstes allein 68 menschliche Quellen des BND enttarnt und dessen interne Probleme zutreffend geschildert hat. Er hat dem Dienst damit sehr weh getan.

Immer öfter Treffen mit Herrn Bessel

Doch ausgerechnet dieser Mann traf sich von 2002 an immer öfter mit einem Herrn namens Bessel vom BND. Man plauderte nicht nur. "Es ging nicht nur um unverbindlichen Informationsaustausch", beurteilt der noch unter Verschluss gehaltene Bericht des BND-Sonderermittlers Gerhard Schäfer die Treffen.

Der Publizist habe "wichtige und hilfreiche Informationen" geliefert. Schmidt-Eenboom hatte seine Dienste für den BND noch unlängst als "Katz- und Maus-Spiel" beschrieben. Doch Schäfer schreibt in seinem Bericht unzweideutig: "Dieser war sich der Tragweite seines Tuns bewusst."

Dass der BND Schmidt-Eenboom als Spitzel anheuerte, war nicht nur aus Sicht des Dienstes genial - es war auch rechtlich einwandfrei, befindet der Sonderermittler Schäfer in seiner rechtlichen Bewertung der Vorgänge. Das Führen von journalistischen Quellen sei rechtlich unbedenklich, erklärt der frühere Bundesrichter - auch wenn es die Bundesregierung per Dienstanweisung nun verboten hat.

Wer schnüffelt, ist selbst verantwortlich

"Inwieweit sich die Tätigkeit des Journalisten (für den BND) mit dessen journalistischem Selbstverständnis vereinbaren lässt, ist keine Rechtsfrage", schreibt Schäfer. Das heißt übersetzt: Der Dienst hat bei der Anwerbung Schmidt-Eenbooms aus der Sicht Schäfers nur seine Arbeit getan. Gewinnt er Leute, die sich dafür hergeben, ist das deren Problem, nicht das des BND.

Andererseits hatte der BND genau diesen Schmidt-Eenboom, mit dem er später zusammenarbeitete, nach der Veröffentlichung seines Buches "Schnüffler ohne Nase" 1993 einer Art "Totalüberwachung" unterworfen, schreibt Schäfer.

Maus spielt Katze

Das war von 1993 bis 1996 - und der Dienst wollte durch die Observation des Büros und der Wohnung Schmidt-Eenbooms herausfinden, wer diesem geheimes Material für das Buch geliefert hatte. Die lange und umfassende Observation ist für Schäfer eindeutig rechtswidrig, weil unverhältnismäßig.

Der Sonderermittler hat in seinem Bericht detailliert dargestellt, was der Dienst nach seiner Meinung nach durfte und was nicht - und nicht alles, was bisher als Skandalon in die Öffentlichkeit gelangte, hält er für verboten.

Auch der Einsatz des Journalisten Wilhelm Dietl als Spitzel war nach Ansicht Schäfers "noch nicht unverhältnismäßig", auch wenn es dadurch zu gewichtigen Eingriffen in die Medienfreiheit gekommen sei.

Keine nachrichtendienstlichen Methoden

Vor allem hat Schäfer keine Hinweise darauf gefunden, dass der Dienst, wie von Schmidt-Eenboom in einem Memo an den BND behauptet, illegal Telefone abgehört hat. Das hatten dem Publizisten zwei ehemaligen Observanten des BND per eidesstattlicher Versicherung berichtet. Der Bundestag hatte den Sonderermittler ausdrücklich beauftragt herauszufinden, was daran wahr ist.

Schäfer vermerkt dazu: "In allen Anhörungen wurde ausdrücklich bestätigt, dass keine nachrichtendienstlichen Methoden wie zum Beispiel G-10-Maßnahmen eingesetzt worden sind. Auch aus den Akten ergaben sich keinerlei Anhaltspunkte, die auf einen Einsatz derartiger Maßnahmen schließen lassen."

Ausdrücklich schreibt Schäfer. "Die in dem von Schmidt-Eenboom übergebenen Memo aufgestellten Behauptungen, dass ohne richterliche Genehmigung Telefon und Fax abgehört sowie Richtmikrophone eingesetzt wurden, sind falsch." Das hat auch der BND immer wieder erklärt.

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