Süddeutsche Zeitung

Geheimdienst-Affäre:BND half NSA beim Ausspähen von Frankreich und EU-Kommission

  • Die BND-Abhörstation in Bad Aibling wurde jahrelang für NSA-Spionage gegen europäische Staaten missbraucht. Das belegt eine interne Untersuchung.
  • Zu den Betroffenen zählen hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des Élysée-Palastes und der EU-Kommission.
  • Deutsche Politiker befinden sich nach bisherigem Stand nicht auf der Liste, deutsche Unternehmen sollen ebenfalls kaum betroffen sein.

Von Georg Mascolo

Die Abhöreinrichtung des Bundesnachrichtendienstes (BND) im bayerischen Bad Aibling wurde nach Feststellung von Regierungsexperten jahrelang für Spionage gegen europäische Staaten missbraucht. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR zählen zu den Betroffenen hochrangige Beamte des französischen Außenministeriums, des Élysée-Palastes und der EU-Kommission. Hinweise auf gezielte Wirtschaftsspionage soll es dagegen nur vereinzelt geben. Unternehmen sind nach den bisherigen Feststellungen vor allem betroffen, weil die USA nach Hinweisen auf illegale Exportgeschäfte suchten.

Innenminister Thomas de Maizière, der sich dem Vorwurf der Verschleierung gerade in der Frage der Wirtschaftsspionage ausgesetzt sieht, bot am Mittwoch an, wegen der Geheimhaltungspflichten vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium und dem NSA-Untersuchungsausschuss auszusagen: "Je schneller, je besser." Er betonte, er habe sich nichts vorzuwerfen.

Deutsche Politiker stehen wohl nicht auf der Liste

"Der Kern ist die politische Ausspähung unserer europäischen Nachbarn und von EU-Institutionen," sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. Deutsche Politiker befinden sich nach bisherigem Stand nicht auf der Liste, deutsche Unternehmen sollen ebenfalls kaum betroffen sein. Eine Vereinbarung zwischen der NSA und dem BND aus dem Jahr 2002 sieht einen Schutz für deutsche und amerikanische Personen und Einrichtungen vor.

BND und Kanzleramt haben das Ausmaß der Affäre noch nicht abschließend ermittelt. In vielen Fällen liegen nur die Mail-Adressen vor, die von der NSA in die Computer in Bad Aibling eingespeist wurden. Daraus ergibt sich, wo die ausgespähten Personen gearbeitet haben, ihre Funktion muss aber festgestellt werden.

Inzwischen wurde die Suchpraxis in Bad Aibling geändert - Mails mit der Endung .eu etwa werden heute automatisch für die Erfassung gesperrt. Ähnliche Regeln gelten für alle europäischen Partnerstaaten. Alle von den USA seit Beginn der Kooperation angelieferten Suchworte werden nun noch einmal überprüft. Ihre Zahl ist riesig: Von 2002 bis 2013 waren es 690 000 Telefonnummern und 7,8 Millionen IP-Suchbegriffe. In einer sogenannten Ablehnungsdatei landeten 40 000 Suchbegriffe.

Das Ausmaß der NSA-Spionage in Europa soll erst im August 2013 durch einen Unterabteilungsleiter der Technischen Aufklärung entdeckt worden sein. Er soll dies jedoch bis März 2015 weder der BND-Spitze noch dem Kanzleramt mitgeteilt haben. 2005 gab es erste Hinweise auf den Missbrauch der Station durch die NSA, dennoch wurden die Suchbegriffe nicht systematisch überprüft, wie dies in einer internen Anweisung des BND gefordert worden war.

Der damalige Kanzleramtschef und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde im Februar 2008 darüber informiert, "dass die US-Seite versucht, die Erfassung auf Bereiche auszudehnen, die nicht im gemeinsamen Interesse liegen". Einzelheiten wurden de Maizière nach derzeitigem Kenntnisstand aber nicht mitgeteilt, allerdings 2010 seinem Nachfolger Ronald Pofalla.

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SZ vom 30.04.2015/fued
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