Süddeutsche Zeitung

Gegenwind für Obama:Die republikanischen Trümmerfrauen

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Die Republikaner glauben zu wissen, wer gegen den schwarzen Präsidenten Barack Obama am besten siegen kann: weiße konservative Frauen wie Sarah Palin.

Barbara Vorsamer

Im November 2008 war die Republikanische Partei ein Trümmerhaufen: John McCain hatte die Präsidentschaftswahl verloren, auch im Kongress eroberten die Demokraten satte Mehrheiten. Die Amerikaner hatten die Partei ihres Ex-Präsidenten George W. Bush satt und berauschten sich an ihrem ersten schwarzen Präsidenten, dem "Messias" Barack Obama.

Inzwischen ist Obama auf Normalmaß zurückgeschrumpft, während die republikanischen Kandidaten voller Euphorie in den Wahlkampf für die Kongresswahlen im Herbst starten. Dabei fällt auf: Nicht wenige der konservativen Kandidaten sind weiblich.

Für die Republikaner ist das eine neue Entwicklung. Bisher galt für die amerikanischen Vorwahlen, dass bei den Demokraten Frauen häufiger kandidierten, sich aber dann überdurchschnittlich oft geschlagen geben mussten - das aktuellste Beispiel ist die Präsidentschaftskandidatur von Hillary Clinton. Bei den Republikanern lief es bislang anders herum: Nur selten trauten sich Frauen eine Bewerbung zu, noch seltener überlebten sie die Vorwahlen. Wenn doch, gewannen sie aber das Mandat.

Haben die Republikaner vielleicht aus dieser Statistik gelernt? Möglich. Wahrscheinlicher aber scheint eine andere Beobachtung: Dass nämlich Frauen erst dann in politische Ämter gelangen, wenn alle Männer um sie herum gescheitert sind und ihre Parteien sich am Rande des Kollapses befinden.

Beispiele gibt es reichlich - auch in Deutschland. So gerieten Heide Simonis und Christine Lieberknecht, die beiden bislang einzigen Ministerpräsidentinnen, in ihre Ämter, nachdem ihre männlichen Vorgänger strauchelten. Und die mächtigste Frau der Welt, Bundeskanzlerin Angela Merkel, wurde 2000 Parteivorsitzende, nachdem der CDU-Spendenskandal fast alle männlichen Anwärter schwer beschädigt hatte. Verblüffend für die Männer war: Merkel ging nicht mehr weg.

Palin, der Phönix

Aus der Asche der ausgebrannten Republikaner stieg nach der US-Präsidentschaftswahl überraschenderweise Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin. Sie hatte sich im Wahlkampf bei vielen Beobachtern vor allem mit ungeschickten Aussagen ("Die Bush-Doktrin? In welchem Sinne meinen Sie das?") und mittelgroßen Skandalen (unter anderem abstrus hohe Rechnungen für ihre Visagistin) bekannt gemacht. So waren viele der Ansicht, sie würde nach dem Wahlkampf kleinlaut in ihr Gouverneursamt nach Alaska zurückkehren und nichts mehr von sich hören lassen.

Das Gegenteil war der Fall. Als Gouverneurin trat Palin zurück, Schlagzeilen macht sie weiterhin. Sie veröffentlichte eine Autobiographie, wurde Kommentatorin beim rechten Nachrichtensender Fox News und stellte sich an die Spitze der konservativen Anti-Obama- Tea-Party-Bewegung.

Bei den aktuellen Vorwahlen trat sie selbst nicht an. Sie betätigte sich jedoch erfolgreich als Königsmacherin - besser: Königinnenmacherin. Ihre Wahlempfehlung half nicht nur der ehemaligen Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina, die Senatskandidatur in Kalifornien zu gewinnen. Auch Meg Whitman, ehemalige Ebay-Chefin und nun republikanische Kandidatin für das Gouverneursamt in Kalifornien, konnte auf Palins Unterstützung zählen. Nikki Haley will mit Palins Wahlempfehlung die republikanische Nominierung in South Carolina gewinnen, Sharron Angle tritt in Nevada an.

Bei den aktuellen Vorwahlen zeigte sich auch, dass das Geschlecht nicht mehr das große Thema ist. Fiorina und Whitman betonten stattdessen ihre Erfahrungen in der Wirtschaft. "Ihr Washingtoner Karrierepolitiker, aufgepasst", sagte Whitman im Wahlkampf. "Zwei Businessfrauen aus der echten Welt kandidieren und diese wissen, wie man Arbeitsplätze schafft, einen Haushalt ausgleicht und die Dinge erledigt." Whitman und Fiorina bezahlten ihre Kampagnen größtenteils aus eigener Tasche und inszenierten sich als unabhängig und selbständig. Ihre Rolle als Ehefrau und Mutter erwähnten sie nicht. Und sie wurden nicht danach gefragt. Nikki Haley in South Carolina musste sich im Wahlkampf sogar mit fiesen Gerüchten über ihre eheliche Treue herumschlagen.

Alle genannten Vorwahlkämpfe waren hart, keiner Kandidatin wurde etwas geschenkt, alle wurden heftig angegriffen. Und keine beschwerte sich darüber, als Frau so gemein behandelt zu werden. Offensichtlich sind derzeit ausgerechnet die konservativen Republikaner, bei denen weibliche Politiker Karriere machen können.

Bei den Demokraten passiert diesbezüglich zurzeit nämlich wenig - und sie beobachten die weibliche Konkurrenz von rechts verblüfft. "Wir haben Sarah Palins Einfluss unterschätzt", gibt ein Parteistratege im Gespräch mit der New York Times zu.

Ob Palins Unterstützung den Damen allerdings im Herbst wirklich hilft, bleibt abzuwarten. In Vorwahlen geht es darum, die eigene Basis zu überzeugen. In der eigentlichen Wahl entscheidet die politische Mitte. Dort ist Palin nicht beliebt.

Auch das Wahlverhalten der Frauen ist kaum vorherzusehen. Zwar ist hinreichend belegt, dass Frauen in den USA häufig für Frauen abzustimmen. Diese Relation ergibt sich aber auch dadurch, dass Demokraten traditionell eher Frauen aufstellen und 57 Prozent der demokratischen Wähler weiblich sind.

Die konservativen Kandidatinnen stellen diese statistischen Zusammenhänge auf den Kopf. Die Wahlen könnten spannend werden.

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