Süddeutsche Zeitung

Israels Gefangenen-Deal mit Hamas:Wie Gilad Schalits Freilassung ablaufen soll

Terroropfer klagen gegen den Austausch, doch die meisten Israelis unterstützen den Deal mit dem Todfeind: Nach mehr als fünf Jahren in der Gewalt der Hamas steht die Freilassung des Wehrpflichtigen Gilad Schalit und von mehr als 1000 Palästinensern an - inzwischen werden immer mehr Details bekannt.

Der Deal ist denkbar heikel und doch wurde schon bekanntgegeben, wie er vonstatten gehen soll. Der israelische Rundfunk meldete, wenn alles nach Plan verlaufe, solle Gilad Schalit bis Dienstagnachmittag wieder zu Hause sein - nach fünfeinhalb Jahren Gefangenschaft. Der inzwischen 25-jährige Schalit soll den Angaben zufolge über den Rafah-Grenzübergang nach Ägypten gebracht und dort an das Rote Kreuz sowie die ägyptischen Behörden übergeben werden.

Anschließend solle der junge Mann vermutlich über den Nizana-Grenzübergang nach Israel transportiert werden, meldete der Rundfunk. Am Übergang Kerem Schalom solle er ärztlich untersucht werden. Ein Hubschrauber werde ihn von dort aus zum Militärflughafen Tel Nof bringen. Dort wollen ihn seine Eltern Noam und Aviva in die Arme schließen. Auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Ehud Barak sowie Generalstabschef Benny Ganz wollten dabei anwesend sein.

Nach einer ausführlicheren ärztlichen Untersuchung in Tel Nof soll Schalit dann mit seiner Familie mit dem Hubschrauber in seinen Heimatort Mizpe Hila im Norden Israels geflogen werden. Israel lässt im Gegenzug in einem ersten Schritt 477 palästinensische Häftlinge frei. Den Rundfunkberichten zufolge soll ein Teil der Gefangenen am Dienstagmorgen um 6 Uhr (MESZ) in Bussen zum Übergang Kerem Schalom an der Grenze zum Gazastreifen gebracht werden. Andere Häftlinge, die in das Westjordanland zurückkehren, sollten zum Übergang Beitunia gefahren werden.

Das Oberste Gericht in Jerusalem wollte am Montagmittag über vier Klagen gegen den umstrittenen Gefangenenaustausch mit der radikalislamischen Hamas beraten. Die Terroropfer-Organisation Almagor sowie drei weitere Kläger warnen, die Freilassung von mehr als tausend palästinensischen Häftlingen für Schalits Freiheit sei unproportional. Sie gefährde zudem die Sicherheit israelischer Bürger, weil sie zu neuen Anschlägen oder Entführungen ermutigen könne. Noam Schalit, der Vater des entführten Soldaten, ist bei der Beratung ebenfalls anwesend. Die Mutter Aviva Schalit hatte am Sonntag gewarnt, jeder Aufschub des Gefangenenaustauschs könne das Leben ihres Sohnes gefährden.

Der umfassende Häftlingsaustausch wird von einer großen Mehrheit der Israelis befürwortet. Dies geht aus einer Meinungsumfrage hervor, die die israelische Zeitung Jediot Achronot veröffentlichte. 79 Prozent der Befragten sprachen sich den Angaben zufolge für den Austausch von insgesamt 1027 Palästinensern gegen den vor mehr als fünf Jahren entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit aus. Nur 14 Prozent der Befragten waren dagegen.

Eine klare Mehrheit (65 Prozent) war der Meinung, man hätte den Gefangenenaustausch schon früher vereinbaren können. 44 Prozent gaben an, sie verspürten angesichts der am Dienstag erwarteten Freilassung Schalits Freude, nur drei Prozent verspürten Zorn und fünf Prozent ein Gefühl der Demütigung. Jeder zweite Umfrageteilnehmer (50 Prozent) äußerte die Sorge, nach der Freilassung der mehr als 1000 Palästinenser könnten israelische Bürger Anschlägen zum Opfer fallen. Dagegen meinten 48 Prozent, sie hätten keine Angst, sondern vertrauten den israelischen Sicherheitskräften.

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