Nach dem großen Gefangenenaustausch haben aus russischer Haft befreite Oppositionelle der Bundesregierung öffentlich gedankt. In Demokratien seien Entscheidungen nicht einfach, für die Bundesregierung sei das auch nicht einfach gewesen, aber das menschliche Leben habe für zivilisierte Gesellschaften den höchsten Wert, sagte der prominente Kremlgegner Wladimir Kara-Mursa vor Journalisten in Bonn. „Einfache Entscheidungen gibt es nur in Diktaturen.“
Kara-Mursa will wie vor seiner Inhaftierung für Sanktionen gegen das „mörderische Regime von Kremlchef Wladimir Putin“ kämpfen. Zielgerichtete Strafmaßnahmen gegen einzelne Verantwortliche des Machtapparats seien am wirksamsten, sagte er. Viele der Sanktionen im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine träfen heute auch alle einfachen Menschen. „Das ist nicht gerecht.“
Kara-Mursa machte Putin erneut auch persönlich verantwortlich für den Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny im Straflager in der Arktisregion im Februar. Zugleich sagte er, dass die Überwindung früherer Widerstände in Deutschland gegen die Auslieferung des „Tiergartenmörders“ Wadim Krassikow womöglich das Leben von Nawalny hätte retten können. „Es kann gut sein, dass Alexej heute noch am Leben und in Freiheit wäre“, sagte er. Er appellierte an die Politik in Deutschland, bei der Debatte um Krassikows Übergabe an Putin nicht zu vergessen, dass im Gegenzug 16 Menschenleben gerettet worden seien.

Russische Agenten:Wer sind die Gefangenen, die Putin freigetauscht hat?
Ein Schmuggler, ein Mörder und mehrere Spione: Die Identität der acht zurückgekehrten Russen zeigt die unterschiedlichen Agentenaktivitäten im Westen auf.
Russland und westliche Staaten unter Führung der USA hatten am Donnerstag 24 Gefangene ausgetauscht. In Deutschland wurde die Gefängnisstrafe des als Tiergartenmörder bekanntgewordenen Russen Wadim Krassikow vorzeitig beendet, er wurde nach Russland abgeschoben.
„Es ist falsch, das russische Volk mit der Politik der Regierung in Verbindung zu bringen“, ergänzte der ebenfalls freigelassene Andrej Piwowarow. Es sei ihre Aufgabe, sich dafür einzusetzen, dass Russland „frei und demokratisch“ werde.
Der ebenfalls ausgetauschte Oppositionelle Ilja Jaschin sagte, dass er Kanzler Olaf Scholz persönlich gedankt habe für die schwierige Entscheidung, den verurteilten Mörder Krassikow zu übergeben, um Gegner von Kremlchef Putin freizubekommen. Zugleich betonte er, dass er gegen seinen Willen ausgetauscht worden sei.
Seine Forderung, ihn in seiner Heimat zu lassen, habe der Strafvollzug ignoriert. „Was am 1. August geschah, ist kein Austausch gewesen. Das war meine Ausweisung aus Russland gegen meinen Willen. Mein erster Wunsch in Ankara war es, ein Ticket zu kaufen und nach Russland zurückzukehren“, sagte er. Er warnte, dass der Schritt Präsident Wladimir Putin ermutigen würde, weitere „politische Gefangene“ zu nehmen.
„Ich bin ein Patriot“
In einer minutenlangen Ansprache, in der ihm die Wut oft ins Gesicht geschrieben stand, sagte Jaschin, er habe sich geweigert, ein Gnadengesuch an Putin zu unterzeichnen. „Ich bin ein Patriot.“ Er wolle nach Russland zurückkehren, aber ihm sei klar gemacht worden, dass es keinen weiteren Gefangenenaustausch geben würde, wenn er das täte. Ein Offizier des russischen Geheimdiensts FSB habe ihm gesagt, wenn er nach Russland zurückkehre, „werden Ihre Tage so enden wie die von Nawalny“.
Auch Kara-Mursa erzählte, dass er sich geweigert habe, ein Gnadengesuch an Putin zu richten. Er habe Putin vielmehr noch einmal deutlich als Mörder und Kriegsverbrecher bezeichnet und sei dann nachts abgeführt worden. „Ich dachte, ich werde erschossen.“ Laut Gesetz habe er eigentlich gar nicht begnadigt werden dürfen. Er habe nicht einmal einen Reisepass gehabt. „Ich war sicher, dass ich in Putins Gefängnis sterben würde.“
Piwowarow und Kara-Mursa sagten, dass nicht alle Russen hinter Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine stünden. Viele hätten aber Angst, wegen ihrer Kritik hinter Gittern zu landen. Die Oppositionellen betonten, dass ihr Ziel sei, für ein freies und zivilisiertes Russland zu kämpfen, um dorthin eines Tages zurückzukehren.