Gefahr am Horn von Afrika:Gleitschaum gegen Piraten

Seeräuber greifen sogar Kreuzfahrtschiffe und Kriegsmarine auf offener See an. Zur Verteidigung rüsten die Reeder ihre Schiffe nun mit Elektrozäunen, Thermokameras und Gleitschaum auf.

Steffen Heinzelmann

Den empfohlenen Bogen um Somalia fuhr sie, die Albacora 4. Doch dann entdeckte die Besatzung des Fischkutters Begleiter auf dem Radar: Zwei Piratenboote näherten sich, und nur die schnelle Flucht rettete das spanische Fangschiff davor, geentert zu werden.

Der Überfall vor drei Wochen im Indischen Ozean war dort schon der zweite auf die Albacora 4. Afrikas Ostküste gilt als neuer Hort der Seeräuberei: Piraten greifen sogar Kreuzfahrtschiffe und Kriegsmarine auf offener See an.

Für Spanien kein Fall von Freibeuterromantik, sondern ein Grund, die eigene Armada flottzumachen. "Wir müssen unsere Staatsbürger und Unternehmen schützen", sagt Fernando Curcio, Generaldirektor für Fischerei im Madrider Landwirtschaftsministerium, "und wir suchen einen juristischen Weg, um diese Verbrechen zu verhindern." Gemeinsam mit Außen- und Verteidigungsministerium werde deshalb überlegt, die 21 spanischen Schiffe, die auf Thunfischfang im Indischen Ozean unterwegs sind, mit Fregatten der Marine zu schützen.

Moderne Wegelagerer machten bisher vor allem die "Straße von Malakka" genannte Meerenge zwischen Indonesien und Malaysia unsicher. Nach dem Tsunami 2004 gingen die Überfälle dort aber zurück. Und für das Piracy Reporting Centre (PRC) in Kuala Lumpur gelten zurzeit die Gewässer um das Horn von Afrika als gefährlichstes Meeresgebiet der Welt: 41 Angriffe auf Frachter hat das PRC allein in den vergangenen sechs Wochen dort gezählt, Kapitänen rät die Organisation dringend, auf Kurs mindestens 370 Kilometer Abstand zur somalischen Küste zu halten.

Das politisch zerfallene Somalia nutzen die Seeräuber als Rückzugsraum, von wo aus sie fern vom Festland ihre Attacken fahren. Im vergangenen Jahr entführten sie zwei Frachter mit Hilfslieferungen, im November wurde das Kreuzfahrtschiff Seaborne Spirit mit Granaten beschossen. Vor zwei Monaten lieferten sich angebliche Piraten sogar ein Gefecht mit zwei Kriegsschiffen der US-Marine.

"Die nutzen ein Mutterschiff und kleine Beiboote zum Anschleichen."

Obwohl die Zahl der Überfälle auf See im vorigen Jahr weltweit auf 266 Fälle gesunken ist, warnt die für Sicherheit auf Meeren zuständige International Maritime Organization für das Horn von Afrika vor zunehmender Gewalt und einem "Anstieg bei Entführungen und Lösegeldforderungen". Sogar der UN-Sicherheitsrat hat sich mit der Piraterie dort befasst.

"Das sind somalische Kriegsherren, die in internationalen Gewässern zuschlagen", vermutet der Spanier Curcio organisierte Kriminelle hinter den Überfällen mit moderner Technik und Taktik: "Die nutzen ein Mutterschiff und kleine Beiboote zum Anschleichen." Zur Verteidigung rüsten nun auch die Reeder auf und versuchen, ihre Schiffe mit Elektrozäunen, Thermokameras und Gleitschaum vor dem Entern zu schützen.

Während die US-Navy auch gegen Piraten eingesetzt wird, ist das für die Bundesmarine verboten. "Piraterie gilt nicht als kriegerische Handlung", erläutert ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. "Das Grundgesetz verbietet uns, bei kriminellen Akten einzugreifen." Für deutsche Hochseefischer sieht Gerd Conrad vom Bundeslandwirtschaftsministerium keine Gefahr: Die Flotte fische nur in der Nordsee und in norwegischen Gewässern. Plündernde Wikinger aber gibt es dort schon lange nicht mehr.

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