Gefängnisse:Videokameras auf Toiletten, vollständige Entkleidung

JVA Moabit

Eine Gefängniszelle in Berlin.

(Foto: dpa)
  • Die regierungsunabhängige Stelle zur Verhütung von Folter kritisiert, dass die Intimsphäre von Gefangenen oft nicht ausreichend geschützt sei.
  • In Haftzellen einiger Gefängnisse und Polizeistationen würde selbst der Toilettenbereich videoüberwacht.

Von Bernd Kastner, Wiesbaden

Menschenunwürdige Zustände in einigen deutschen Haftanstalten hat die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter festgestellt. Die regierungsunabhängige Einrichtung kritisierte nach Besuchen von Gefängnissen und Polizeiwachen, dass die Intimsphäre von Gefangenen oft nicht ausreichend geschützt sei. So seien etwa Einzelzellen mit zwei Gefangenen belegt, ohne dass die Toilette abgetrennt sei. Dies verletze laut Bundesverfassungsgericht die Menschenwürde.

Die Stelle wurde auf Basis der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen 2009 geschaffen, um die Wahrung der menschenwürdigen Unterbringung und Behandlung im Freiheitsentzug sicherzustellen. Etwa 13 000 Einrichtungen gibt es in Deutschland, in denen Menschen in irgendeiner Form die Freiheit entzogen wird, von Justizvollzugsanstalten über Jugendhilfeeinrichtungen bis hin zu Pflegeheimen, wo Senioren mitunter fixiert werden. In ihrem aktuellen Bericht für das Jahr 2016, in dem etwa 70 Häuser besucht wurden, bemängeln die Menschenrechtler, dass in Haftzellen einiger Gefängnisse und Polizeistationen selbst der Toilettenbereich videoüberwacht sei.

Explizit erwähnt werden Frauengefängnisse in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Bremen. Die Aufnahmen liefen in Sicherheitszentralen auf, in denen auch Männer vor den Monitoren säßen. Dass eine Überwachung auch menschenwürdig möglich sei, zeige vorbildlich etwa die JVA in Rohrbach in Rheinland-Pfalz. Dort werde der Toilettenbereich nur verpixelt dargestellt. Kritisch gesehen wird auch, wenn sich Gefangene vollständig entkleiden müssen, um durchsucht zu werden. Dies sei ein "schwerwiegender Eingriff" in die Persönlichkeitsrechte und dürfe nicht zur Routine werden.

Verstärkt beobachtet die Anti-Folter-Stelle Abschiebeflüge. 2016 und 2017 wurden neun Flüge begleitet. Ausdrücklich gelobt wurde der dabei beobachtete freundliche und behutsame Umgang der Bundespolizei mit den Passagieren, die sich oft in einem emotionalen Ausnahmezustand befänden.

Kriitk auch an fünf Alten- und Pflegeheimen

Besucht haben die Menschenrechtler auch fünf Alten- und Pflegeheime. Fixierungen von Bewohnern sollten nur das letzte Mittel sein, wenn alle milderen Mittel versagen, mahnten sie. "Grundsätzlich" müssten fixierte Menschen durch eine Sitzwache begleitet werden. Nur so sei das hohe Verletzungsrisiko zu reduzieren.

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