Süddeutsche Zeitung

Gefährder:Schuld hat nicht nur einer

Es greift zu kurz, wenn man nur dem NRW-Innenminister Jäger vorwirft, er habe den Berliner Attentäter nicht abschieben lassen.

Von Ronen Steinke

Ohne großes Federlesen kann man Typen wie den Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt - "tickende Zeitbomben", wie das Düsseldorfer Landeskriminalamt schon neun Monate vor der Tat intern analysierte - aus Deutschland abschieben. Der Staat braucht mit ausländischen Islamisten, die online von Gewalt schwadronieren, keine Geduld zu haben, geltendes Recht erlaubt den sofortigen Rausschmiss. Das steht so seit 2004 im Aufenthaltsgesetz.

Ja, es ist blamabel genug für die Innenminister des Bundes und fast aller Bundesländer, dass sie sich diese Rechtslage in der zurückliegenden Woche erst erklären lassen mussten, in zwei Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts. Nein, das heißt nicht auch schon, dass Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) allein dafür verantwortlich wäre, dass der Berliner Attentäter im Land und auf freiem Fuß bleiben konnte.

Es haben da viele mitgeredet. Es gab Berliner Richter, die sich täuschen ließen, als der Islamist ein paar Wochen lang Abstand von anderen Radikalen hielt, und die deshalb anordneten, man könne ihn nicht einmal mehr observieren, geschweige denn abschieben. Es gab auch das Problem, dass sich kein Staat fand, der den jungen Tunesier zurücknehmen wollte. Minister Jäger wird einiges zu erklären haben, wenn in dieser Woche der Untersuchungsausschuss zu dem Fall volle Fahrt aufnimmt. Aber nicht nur er.

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Quelle:
SZ vom 27.03.2017
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