Gedenken:Vor 60 Jahren: Der Aufstand im Warschauer Ghetto

Die Präsidenten Polens und Israels, ehemalige Widerstandskämpfer und Holocaust-Überlebende haben in Warschau der Opfer des Aufstands im Warschauer Getto gedacht. Eine Fotostrecke erinnert an die 27 Tage von Warschau.

Vor einer Gedenkfeier, an der Holocaust-Überlebende, polnische Kriegsveteranen und hunderte Jugendliche aus Polen und Israel teilnahmen, zündeten der israelische Staatspräsident Mosche Katzav und sein polnischer Kollege Aleksander Kwasniewski Kerzen am Umschlagplatz an, dem Ort, von dem die Züge in die Konzentrationslager abfuhren.

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Kein Entrinnen gab es für die Juden im Warschauer Ghetto. Klicken Sie auf das Foto, um Aufnahmen von heute und damals zu sehen.

Katzav erinnerte in einer Rede vor dem polnischen Senat an die gemeinsame Geschichte von Polen und Juden. "In diesem Land, wo unsere gemeinsame Kultur entstand und tausend Jahre lang jüdisches Leben blühte, ist auch die größte Katastrophe für die jüdische Nation passiert", sagte er mit Blick auf den Holocaust. Mit seinem Besuch wolle er die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Polen stärken. Er dankte der polnischen Regierung für die Unterstützung des US-Angriffs auf Irak und des Kampfes gegen den Terrorismus, den er als eines der "größten Übel" der heutigen Welt bezeichnete.

Zusammen mit fünf Überlebenden legten Katzav und Kwasniewski Kränze am Mahnmal nieder, das an die Opfer des Getto-Aufstands erinnert. Die Gedenkfeier wurden vom Warschauer Rabbi Michael Schudrich geleitet. Eine Liste mit den Namen gefallener Aufständischer, ihrer polnischen Helfer und von Holocaust-Opfern wurde verlesen.

Gedenken an 55.696 ermordete Juden

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland gedachte der Opfer des Holocaust. Im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin sagte Zentralratspräsident Paul Spiegel: "Auch 60 Jahre danach löst der verzweifelte Kampf der Juden in Warschau in uns Trauer aus - aber auch Bewunderung, Respekt, Stolz". An der Gedenkveranstaltung nahm auch Bundesaußenminister Joschka Fischer teil.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte, die Ereignisse "erfüllen uns mit Scham und Trauer". Gedenken sei und dürfe keine Routine sein. Auch in der Gegenwart würden tagtägliche Übergriffe auf Minderheiten "uns erschüttern und beschämen". Es gebe daher keinen Grund zur Entwarnung, meinte Wowereit. Der Aufstand hatte am 19. April 1943 begonnen und endete am 16. Mai 1943.

Rund 750 Kämpfer unter Führung von Mordechai Anielewicz standen auf Seiten der Juden, die den über 2000 eingesetzten deutschen Soldaten und Polizisten unterlegen waren. Zum Zeitpunkt des Aufstands befanden sich noch etwa 60.000 der insgesamt 450.000 in Warschau von den Nazis zusammengepferchten Juden im Getto.

Nach der Gedenkstunde begann vor dem Gemeindehaus die Lesung der Namen von 55.696 ermordeten Juden, die bis zum 30. April um Mitternacht dauern soll. Paul Spiegel würdigte den Mut der Gettokämpfer. Sie wussten, "dass es nichts zu gewinnen gab außer den Tod". Doch diese Juden "wollten sich ihren Tod erkämpfen".

Warnung vor wachsendem Antisemitismus

Spiegel nahm ausdrücklich Bezug auf seiner Meinung nach falsch gestellte aktuelle Vergleiche. Es gebe nichts, aber auch gar nichts, was ein palästinensischer Selbstmordattentäter mit einem kämpfenden Juden im Getto gemein habe.

Zur Gegenwart 60 Jahre nach den Ereignissen sagte Spiegel ferner, Juden in Europa fühlten sich noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa so verunsichert. Es sei ein Anwachsen antisemitischer Überfälle und Tätlichkeiten zu verzeichnen.

Immer mehr antijüdisches Gedankengut dürfe und könne sich "in der Mitte der Gesellschaften breit machen". Deshalb müsse sich jeder immer wieder bewusst sein, "das jedes Schweigen, jedes Zurückweichen vor Angriffen gegen Juden ein Verrat an den Aufständischen des Warschauer Gettos bedeutet".

(sueddeutsche.de/dpa/AP)

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