Gedenken im Bundestag:Peres, der Holocaust und blutrünstige Diktatoren

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Eindringlich hat Israels Präsident im Bundestag an den Holocaust erinnert - und dazu aufgerufen, noch lebende Nazi-Schergen vor Gericht zu stellen.

Susanne Klaiber

Es ist ein mehrere Zentimeter dicker Stapel Papier, den der israelische Staatspräsident Schimon Peres an diesem Mittwochmittag auf dem Rednerpult im Bundestag vor sich liegen hat. Ein Manuskript mit großen hebräischen Buchstaben für die alten Augen des 86-jährigen Friedensnobelpreisträgers. Ein großer Stapel für Worte, die auch das routinierte politische Publikum bewegen sollen.

Schimon Peres ist der dritte israelische Staatspräsident, der vor dem Bundestag spricht. (Foto: Foto: Getty Images)

Die Bundesrepublik hat Peres eingeladen, zum "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" vor dem Bundestag zu sprechen. Am 27. Januar vor 65 Jahren hatten sowjetische Soldaten das Konzentrationslager Auschwitz befreit, in dem eine Million Menschen ermordet worden waren.

Zu spät

"Blut und Asche bedeckten das Lager. Die Selektionsrampe war menschenleer. Es herrschte trügerische Ruhe. Aus den Tiefen der vereisten Erde wurde ein Schrei hörbar. Der 27. Januar kam zu spät."

Peres spricht fest, eindringlich. Viele der Zuhörer halten den Kopf gesenkt, Bundeskanzlerin Angela Merkel schluckt schwer. Die Erinnerung an den Holocaust hat für Peres nicht nur eine politische Dimension, sondern auch eine persönliche. "Ich erinnere mich an meinen Großvater, ein würdiger und schöner Mann. Er war mein Lehrer und Erzieher. In der Synagoge lauschte ich seiner klaren Stimme." 1934 wanderte Peres von seinem damals polnischen und heute weißrussischen Heimatstädtchen Wischnewa nach Tel Aviv aus. Sein Großvater bleibt und wird 1942 von den Nazis zusammen mit anderen in die Synagoge gepfercht und dort verbrannt. "Glühende Asche und Rauch."

Peres fordert Deutschland und die Welt dazu auf, noch lebende Nazi- Schergen vor Gericht zu stellen. "Ich bitte Sie, tun Sie alles, diese Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen", sagt Peres. "Es geht nicht um Rache, sondern um Erziehung."

"Beziehung ohne Parallelen"

Es ist das dritte Mal, dass ein israelischer Staatspräsident vor dem Bundestag spricht, vor Peres waren schon Eser Weizman und Mosche Katzav zu Gast. Bundestagspräsident Norbert Lammert sagt zur Einführung, mit Peres' Einladung wolle man unterstreichen, dass Israel und Deutschland eine besondere Beziehung verbinde. Eine Beziehung, "für die es keine Parallelen" gebe angesichts der Verantwortung Deutschlands und der Tatsache, dass Israel "auf der Asche des Holocaust" gegründet wurde, in dem sechs Millionen Juden ermordet worden waren.

"Wie böse kann der Mensch sein?" fragt Peres. "Wie kann sich ein Volk als Herrenrasse betrachten?"

Nie wieder dürfe das Gefühl von Überlegenheit entstehen, sagt Peres. "Nie wieder dürfen blutrünstige Diktatoren ignoriert werden, die sich hinter demagogischen Masken verbergen und mörderische Parolen von sich geben."

Bogen zu aktuellen Problemen

Blutrünstige Diktatoren: Damit verweist Peres nicht nur auf Hitler. Er spannt einen Bogen von der Geschichte zu den Problemen der Gegenwart, wie es vor zwei Jahren auch Angela Merkel bei ihrer Rede vor der Knesset getan hatte. Peres verweist darauf, dass Israel in Frieden leben wolle, als Nachbar eines selbstständigen palästinensischen Staates. Und unversehrt von Iran, der Israel bedrohe. "Wir sind der Überzeugung, dass Deutschland alles tun wird, was von ihm erwartet wird, damit Israel diesen Gefahren nicht allein ausgesetzt ist." Deutschland, zu dem sich eine einzigartige Freundschaft entwickelt habe.

Diese Freundschaft hat zuvor auch Lammert betont. Und ein Versprechen gegeben: "Manches ist verhandelbar. Das Existenzrecht Israels nicht."

Dieses Versprechen und die Einstellung, der es entspringt, scheinen Peres zu berühren. "Danke" sagt er zum Schluss seiner Rede. Schlicht und doch bewegt. Und legt das letzte Blatt seines großen Papierstapels zur Seite.

Im Video: Im Reichstagsgebäude in Berlin sprach auch der israelische Präsident Schimon Peres am 65. Jahrestag der Befreiung des Lagers Auschwitz.

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