Geberländer:Große Worte, kleine Schecks für die Syrien-Flüchtlinge

Geberländer: Das Flüchtlingslager Kawergosk im Norden des Irak.

Das Flüchtlingslager Kawergosk im Norden des Irak.

(Foto: AP)
  • Auf der Geberkonferenz für Syriens Flüchtlinge am Donnerstag in London will die EU zeigen, dass sie schon jetzt mehr tut als andere.
  • Dem UN-Flüchtlingshilfswerk zufolge waren 2015 insgesamt 7,2 Milliarden Dollar nötig, doch nur gut die Hälfte davon kam zusammen. 2016 liegt der Bedarf bei fast neun Milliarden.
  • Doch auch in der EU ist die finanzielle Hilfsbereitschaft bei einigen Ländern nur beschämend klein, zeigt die Hilfsorganisation Oxfam.

Von Daniel Brössler

Wenn es um die gerade vertagten Genfer Verhandlungen für Frieden in Syrien geht, spielt die Europäische Union eher eine Nebenrolle. Ihr fehlt das diplomatische und militärische Gewicht, um bei den Konfliktparteien etwas bewirken zu können. Bei der Geberkonferenz an diesem Donnerstag in London aber soll das Bild ein anderes sein.

Gleich fünf führende Politiker aus Brüssel reisen an, um die blaue Flagge zu zeigen: EU-Ratspräsident Donald Tusk, Parlamentspräsident Martin Schulz, die Außenbeauftragte Federica Mogherini sowie die Kommissare für Nachbarschaft und humanitäre Hilfe, Johannes Hahn und Christos Stylianides. Die Reisegruppe will demonstrieren, dass die EU schon jetzt mehr tut als andere - und dass sie bereit ist, noch deutlich mehr zu tun.

"Wir werden bei dieser Konferenz eine wichtige Rolle spielen - weil wir das können und weil wir das müssen", sagt ein zuständiger EU-Diplomat. Groß war das Entsetzen, als die Vereinten Nationen vergangenes Jahr die Lebensmittelrationen in den Flüchtlingslagern aus Geldnot halbieren mussten. Das dürfe sich nicht wiederholen, fordert Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Syrien Geberländer

1) Gemessen am Bruttosozialprodukt, 2) Inklusive allgemeiner Zahlungen an EU- und UN-Hilfsfonds.

(Foto: SZ-Grafik; Quelle: Syria Crisis Fair Share Analysis 2016)

Die Sorge hat nicht nur humanitäre Gründe. Im vergangenen Jahr hat die EU erlebt, wie sehr ein Krieg in einer Nachbarregion zur Krise zu Hause werden kann. Die Massenbewegung nicht zuletzt von syrischen Flüchtlingen Richtung Europa hat das europäische Asylsystem kollabieren lassen und stellt mittlerweile das freie Reisen im Schengen-Raum infrage. Wann immer die Staats- und Regierungschefs zuletzt zusammengekommen sind, erweckten sie den Eindruck, dass eine Entschärfung der Lage zumindest am Geld nicht scheitern werde.

Dieses Jahr liegt der Bedarf voraussichtlich bei fast neun Milliarden Dollar

In der Realität aber fehlt es genau daran immer noch. Regelmäßig schlagen die Vereinten Nationen deshalb Alarm. Den Bedarf veranschlagte das UN-Flüchtlingshilfswerk 2015 auf 7,2 Milliarden Dollar, doch nur gut die Hälfte davon kam zusammen. 2016 liegt der Bedarf noch höher, bei fast neun Milliarden.

Die Londoner Konferenz, zu der Großbritannien, Deutschland, Kuwait und die Vereinten Nationen zusammen eingeladen haben, soll nun sicherstellen, dass genügend Geld zur unmittelbaren Nothilfe für die 6,5 Millionen syrischen Binnenflüchtlinge und 4,6 Millionen in die Nachbarländer geflohenen Syrer aufgebracht wird; zudem sollen auch mittelfristig die Mittel bereitstehen, um die vom syrischen Krieg in Mitleidenschaft gezogene Region zu stabilisieren - vor allem Jordanien und Libanon.

Den Vorwurf, sie tue zu wenig, will dabei insbesondere die EU sich nicht machen lassen. Im Vorfeld der Londoner Konferenz wurden noch einmal all jene Zahlen zusammengetragen, die belegen sollen, dass die EU der wichtigste Geber ist: Zusammen hätten die Union und ihre Mitglieder fünf Milliarden Euro bereitgestellt, davon allein 2,6 Milliarden Euro aus Mitteln der EU-Kommission.

"An finanziellen Zusagen seitens der EU und ihrer Mitgliedstaaten hat es mit Blick auf Syrien noch nie gemangelt", sagt Barbara Lochbihler, außenpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Das begrüße sie. Allerdings zeige der von der EU eingerichtete Syrien-Treuhandfonds exemplarisch, dass Zusagen alleine nicht ausreichten. Von den versprochenen 500 Millionen Euro hätten die Mitgliedstaaten nach Angaben von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gerade einmal 52 Millionen eingezahlt.

Liste der Schande

Wie unterschiedlich die finanzielle Hilfsbereitschaft ausgeprägt ist, zeigt eine Statistik der EU-Kommission, die zumindest für einige einer Liste der Schande gleicht. Aus ihr geht hervor, dass gerade einige jener Länder, die kaum zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit sind, sich offenbar auch zur finanziellen Solidarität nicht verpflichtet fühlen.

Die Slowakei etwa hat zu den verschiedenen Fonds gerade einmal 5,5 Millionen Euro beigesteuert, das deutlich größere Polen sogar nur drei Millionen Euro. Die Hilfsorganisation Oxfam hat unter Berücksichtigung der Wirtschaftskraft und der Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen errechnet, wie weit die einzelnen Staaten über oder unter ihrem "fairen Anteil" an der Syrien-Hilfe liegen. Die Slowakei etwa zahlt demnach gerade einmal 18 Prozent dieses fairen Anteils. Auch Länder wie Frankreich und Österreich bleiben mit 45 und 53 Prozent unter ihren Möglichkeiten. Den deutschen Wert beziffert Oxfam auf 152 Prozent.

Trotz bescheidener Beiträge aus einer Reihe von Mitgliedstaaten war die EU nach Darstellung der Kommission in der Lage, zahlreiche Projekte über die humanitäre Nothilfe hinaus in Gang zu setzen. Fast eine Milliarde Euro aus Mitteln für die Nachbarschaftspolitik flossen etwa in Bildung, Gesundheit und die Verbesserung der Lebensumstände von Flüchtlingen in Syrien, Libanon und Jordanien. In London will die EU nun noch einmal deutlich mehr versprechen.

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