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Gasversorgung:Rätselraten um Gazprom

Überraschend drosselt Gazprom den Gasfluss durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 um mehr als ein Drittel. Der Bund bringt unterdessen die deutsche Tochter Germania stärker unter staatliche Kontrolle.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Reaktionen aus der Bundesregierung klingen ratlos: "Wir beobachten die Lage und prüfen den Sachverhalt", heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Die Versorgung mit Gas sei sicher. Was aber genau rund um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 los ist, dazu herrscht Rätselraten. Zuvor hatte der russische Gasmonopolist Gazprom von "technischen Störungen" bei einer Kompressorstation berichtet. Der Siemens-Konzern habe reparierte Teile nicht rechtzeitig geliefert. Statt der üblichen 167 Millionen Kubikmeter könne die Pipeline nun pro Tag nur 100 Millionen durchleiten. Kompressoren sorgen dafür, dass der Druck in der Leitung erhalten bleibt. Siemens wiederum berichtet von einer überholten Turbine, die in Kanada feststecke - der kanadischen Exportsanktionen wegen. Unklar ist allerdings, ob diese Turbine zwingend jetzt schon ausgetauscht werden muss. Man habe die deutsche und die kanadische Regierung informiert und arbeite an einer tragfähigen Lösung, hieß es bei Siemens.

Schon seit Anfang des Monats waren die Gasmengen in der Pipeline schrittweise gesunken. Die Bundesnetzagentur, die täglich einen Bericht zur Versorgungssicherheit herausgibt, hatte das bisher auf "Marktgeschehen und Händlerverhalten" zurückgeführt. "Der Rückgang folgt auch den ausbleibenden Gasmengen in Folge des Lieferstopps gegenüber den Niederlanden und Dänemark", hieß es noch am Dienstag in einem Bericht. Später wurde auch er aktualisiert. Die Behörde beobachte die Lage "sehr genau", heißt es dort nun. Der vollständige Sachverhalt werde "weiter geprüft".

Darlehen für Gazprom-Tochter Germania

Unterdessen stellt sich die Bundesregierung darauf ein, den deutschen Gazprom-Ableger Gazprom Germania länger in Treuhandverwaltung zu führen. Das Unternehmen, das unter anderem mit Gas handelt, es transportiert und auch deutsche Speicher betreibt, war Ende März unter die Verwaltung der Netzagentur gestellt worden. Eine neue Rechtsgrundlage soll nun sicherstellen, dass dieser Zustand auch über den September dieses Jahres fortbesteht, andernfalls wäre er ausgelaufen.

Ein milliardenschweres Darlehen der Staatsbank KfW soll zudem eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens verhindern - im Mai hatte Russland Sanktionen gegen das Unternehmen verhängt. Dadurch waren günstige Lieferverträge ausgelaufen, die das Unternehmen nur zu weit höheren Preisen ersetzen konnte. "Mit diesem Vorgehen behält die Bundesregierung den Einfluss auf diesen Teil der kritischen Energieinfrastruktur und verhindert eine Gefährdung der Energiesicherheit", erklärte die Bundesregierung. Auch der Name ändert sich: in "Securing Energy for Europe GmbH", kurz Sefe.

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