Süddeutsche Zeitung

Kinder im Gazastreifen:Unislamischer Ferienspaß

Kinder haben nicht viel zu lachen im Gazastreifen. In Ferienlagern der Hamas werden sie sogar einer Gehirnwäsche unterzogen. Ein UN-Kindercamp haben militante Palästinenser jetzt zerstört.

T. Avenarius

Kinder haben nicht viel zu lachen im Gaza-Streifen. Krieg und Gewalt prägen das Leben der etwa 700.000 Heranwachsenden in dem Palästinensergebiet. Israel hat Gaza abgeriegelt, die Armut ist groß, das Trinkwasser schmutzig, der Strom unregelmäßig, die Bevölkerungsdichte bedrückend hoch.

Eine Abwechslung im brütend heißen Sommer am südlichen Mittelmeer sind die zweiwöchigen Ferienlager - angeboten parallel von der Hamas-Regierung und von den Vereinten Nationen. Jetzt haben Militante eines der UN-Lager überfallen: Die Wächter wurden verprügelt, Spielsachen und Sportgeräte verbrannt. Warum? Keiner sagt etwas. Doch hinter dem Gewaltakt dürfte der Versuch islamistischer Militanter stehen, die UN-Ferienlager zu bannen.

Mit den Camps für Schulkinder konkurriert das UN-Flüchtlingshilfswerk mit der regierenden Hamas. Während die UN-Lager Sport und Freizeit anbieten und ein bisschen Unterricht in Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein, schlagen die Islamisten harte Töne an.

Neben Koran-Lesungen gibt es Sport im leicht paramilitärischen Stil und kindgerechte Gehirnwäsche. "Erst müssen wir die palästinensischen Gefangenen befreien und dann die Al-Aqsa-Moschee" skandieren die Kinder, dirigiert von einem Hamas-Aufseher im Camp bei Shati. Die Gefangenen sitzen in israelischen Gefängnissen, teilweise wegen Mordes verurteilt.

Und die Al-Aqsa-Moschee steht im besetzten Ost-Jerusalem. In den Worten von Hamad al-Raqub, einem Hamas-Verantwortlichen: Man wolle eine Generation prägen, die "die Befreiung Palästinas von der israelischen Besatzung erkämpft".

Die UN warnen zwar davor, eine ganze Generation palästinensischer Kinder zu militarisieren, greift die Hamas, die jede Verantwortung für den Überfall bestreitet, aber nicht offen an. Zumal es im Gaza-Streifen Gruppen gibt, die noch militanter sind als Hamas.

Auf der anderen Seite haben Hamas-Politiker kritisiert, dass Jungen und Mädchen in den UN-Sommerlagern nicht voneinander getrennt würden und Tanzunterricht bekämen. Womit klar ist, wo der Ferienspaß für Hamas-Hardliner aufhört. Tomas Avenarius

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Quelle:
SZ vom 30.06.2010
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