Nahostkonflikt:Israelische Elitetruppe dringt in Gazastreifen ein - mehrere Tote

Lesezeit: 3 Min.

Junge Männer vor einem zerstörten Haus in Khan Younis im südlichen Gazastreifen. (Foto: REUTERS)
  • Israelische Spezialkräfte dringen in der Nacht in den Süden des Gazastreifens ein. Der Einsatz wird von Luftangriffen begleitet.
  • Bei einem Schusswechsel werden ein israelischer Offizier und mindestens sieben Palästinenser getötet. Einer von ihnen soll ein Anführer einer Elite-Einheit der Kassam-Brigaden sein.
  • Die Palästinenser reagieren mit Raketenbeschuss.
  • Israels Regierungschef Netanjahu reist umgehend von Paris nach Israel zurück.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Normalerweise werden Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert und die israelische Armee antwortet mit Luftangriffen. Diesmal war es umgekehrt. In der vergangenen Nacht war der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen die Reaktion auf eine ungewöhnliche israelische Militäroperation am Boden, die von Luftangriffen begleitet wurde. Spezialkräfte drangen in den Süden des Gazastreifens bei Khan Younis ein, es kam zu einem Schusswechsel. Ein israelischer Offizier wurde dabei getötet, ein zweiter verletzt.

Die ungewöhnliche Operation galt offenbar den Kassam-Brigaden, dem militärischen Arm der radikalislamischen Hamas. Mindestens sieben Menschen wurden nach palästinensischen Angaben getötet, darunter soll auch der stellvertretende Kommandant einer Elite-Einheit der Kassam-Brigaden sein. Vier weitere Hamas-Kämpfer wurden verletzt.

Bis zum Montagmorgen gab es von israelischer Seite keine genaueren Informationen über den Ablauf des Einsatzes. Palästinensischen Angaben zufolge sollen die israelischen Spezialkräfte aus einem Auto auf die Hamas-Aktivisten geschossen haben. In einem israelischen Medienbericht hieß es, dass sich die Männer der Elitetruppe mit Frauenkleidern getarnt hätten.

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"Diese Aktion wurde aus Geheimdienstgründen durchgeführt, nicht um jemanden zu töten oder zu kidnappen", sagte Armeesprecher Ronen Manelis. Israelische Truppen hätten sich in einer sehr komplexen Situation wiedergefunden. Sie hätten zurückgeschossen und es geschafft, sich auf israelisches Territorium zurückzuziehen.

Die Spezialkräfte sollen sich etwa drei Kilometer auf palästinensischem Gebiet befunden und die israelische Luftwaffe um Hilfe ersucht haben. Die israelische Armee soll mit gezielten Bombardierungen in der Umgebung den Rückzug der Einsatzkräfte am Boden unterstützt haben. Schließlich wurde auch das Fahrzeug bombardiert, mit dem die Israelis eingedrungen waren. In einem Tweet drückte Premierminister Benjamin Netanjahu der Familie des getöteten Offiziers sein Beileid aus: "Der Tag wird kommen, an dem das volle Ausmaß seines heroischen Handeln bekannt werden wird." Verteidigungsminister Avigdor Lieberman erklärte, "sein Beitrag für die Sicherheit des Staates wird über viele Jahre geheim bleiben".

Der Einsatz am Boden wurde von Angriffen aus der Luft begleitet, die nach Angaben von Nahe des Gazastreifens lebenden Israelis ungewöhnlich heftig waren. Die israelische Armee dementierte noch in der Nacht Gerüchte, dass einer ihrer Soldaten entführt worden sei.

Die ganze Nacht über gab es Raketenalarm in den israelischen Kommunen entlang des Gazastreifens. Bis zum frühen Morgen wurden israelischen Angaben zufolge 17 Raketen abgefeuert. Drei davon seien von dem Abwehrsystem "Iron Dome" (Eisenkuppel) abgefangen worden, hieß es in einer Mitteilung des Militärs. Die Schulen auf israelischer Seite blieben am Montag geschlossen. Der Zugverkehr zwischen Ashkelon und Sderot wurde eingestellt. Die Bewohner in grenznahen Gebieten wurden aufgefordert, sich in der Nähe von Schutzräumen aufzuhalten.

Die Start- und Landerouten am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv wurden aus Furcht vor Vergeltungsangriffen geändert. Premierminister Benjamin Netanjahu, der sich zum Weltkriegsgedenken in Paris aufhielt, kehrte umgehend nach Israel zurück.

Zuvor hatte Netanjahu in Paris erklärt, er strebe einen langfristigen Waffenstillstand an. Israel verhandelt derzeit über die Vermittlung von Ägypten und der UN mit der Hamas. Die Verhandlungen über ein Abkommen, die schon sehr weit gediehen sind, könnten nach der jüngsten Eskalation komplizierter werden.

Netanjahu zu Katar-Zahlungen an die Hamas

Netanjahu verteidigte überdies Israels Entscheidung, Zahlungen Katars an den Gazastreifen zuzulassen, mit denen die Hamas in der vergangenen Woche ausstehende Gehälter seiner Verwaltungsbeamte bezahlt hatte. "Wir wollen eine humanitäre Krise verhindern", sagte Netanjahu dazu.

Katar hatte am Donnerstag 15 Millionen US-Dollar in drei Koffern in die abgeschlossene Küstenenklave transportiert. Etwa 20 000 Bedienstete sollen dadurch einen Teil ihrer ausstehenden Gehälter bekommen haben. Ausgenommen waren erklärte Hamas-Aktivisten. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, dessen Sitz im Westjordanland liegt, hatte die Auszahlung der Gehälter gestoppt, um die im Gazastreifen regierende Hamas so zu einer Übergabe der Regierungsgeschäfte zu zwingen.

Die Auseinandersetzungen an der Grenze waren in den vergangenen Tagen abgeflaut. Ein Palästinenser schaffte es am Freitag jedoch, in eine auf israelischer Seite gelegene Siedlung zu gelangen und dort ein Gewächshaus anzuzünden. Seit dem 30. März sind nach palästinensischen Angaben an der Grenze zum Gazastreifen mindestens 220 Palästinenser von israelischen Soldaten getötet worden, darunter Dutzende Hamas-Aktivisten. Die Zahl der getöteten israelischen Soldaten stieg nach den Vorfällen in der Nacht auf Montag auf zwei.

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