Israelische Raketen töten den Militärchef der Hamas, Ahmed al-Dschabari. Die Palästinenserorganisation verkündet daraufhin martialisch, der Angriff habe "die Tore zur Hölle geöffnet" - und droht mit Vergeltung. In Tel Aviv schrillen zum ersten Mal seit 1991 die Alarmsirenen, weil aus dem Gazastreifen Raketen in Richtung der Metropole abgefeuert werden. Israel zieht Truppen zusammen und antwortet mit Luftschlägen.
Es ist ein neues Kapitel in einem 25 Jahre alten Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Beim letzten großen Zusammenstoß hatte die israelische Luftwaffe zu Jahresbeginn 2009 einen Monat lang Stellungen der Hamas unter Beschuss genommen. Mehr als tausend Menschen, darunter viele Zivilisten, starben.
Schon seit ihrer Gründung 1987 steht die Hamas im Konflikt mit Israel. Die politische Organisation ging aus der Muslimbruderschaft hervor, die sich bis dahin darauf beschränkt hatte, den Islam im Gazastreifen zu verbreiten. Der Name Hamas ist ein Akronym des arabischen Begriffs für "Islamische Widerstandsbewegung" - und politisches Programm der Organisation.
Im Gegensatz zur Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die irgendwann dazu überging, mit Israel zu verhandeln und sich vom Terrorismus zu distanzieren, setzt die Hamas bis heute auf offenen Widerstand gegen die israelische Besatzung. Sie hält an ihrem Ziel fest, einen einheitlichen palästinensischen Staat zu errichten, der die heutigen palästinensischen Autonomiegebiete und eben auch Israel umfassen soll. Eine Zwei-Staaten-Lösung, wie sie etwa von den USA und der EU befürwortet wird, lehnt die Hamas ab.
Doppelstrategie aus Politik und Gewalt
Um ihr Ziel zu erreichen, setzt die Organisation auf eine Doppelstrategie aus Politik und Gewalt. Die 1991 gegründeten Al-Kassam-Brigaden gelten als wichtigste Gruppe im militärischen Arm der Organisation. Sie feuern Raketen auf Israel und verüben immer wieder auch Selbstmordanschläge. Unterstützt wird die Hamas nach israelischen Angaben von Iran und Syrien. Vor allem wegen der Brigaden wird die Hamas unter anderem von den USA als Terrororganisation eingestuft.
Gleichzeitig ist die Hamas aber auch eine politische Partei. Weil sie sich sozial stark engagiert, hat sie im Gazastreifen viele Unterstützer. Bei den vergangenen Wahlen zum sogenannten palästinensischen Legislativrat, dem Parlament der palästinensischen Autonomiegebiete, gewann die Hamas 2006 die absolute Mehrheit der Sitze. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die eher säkulare Fatah die Mehrheit inne.
Dabei hatte die Hamas bei der ersten palästinensischen Parlamentswahl zehn Jahre zuvor noch zum Boykott aufgerufen. Eine Teilnahme hätte nach Ansicht der Hamas bedeutet, die Ergebnisse des Osloer Friedensprozesses anzuerkennen. In diesen Übereinkünften vereinbarten Israel und die Palästinensische Freiheitsorganisation (PLO) Mitte der neunziger Jahre unter anderem, die palästinensische Autonomiebehörde einzurichten.
Darüber hinaus hatte sich die PLO in Oslo 1993 bereit erklärt, all jene Passagen aus ihrer Charta zu streichen, in denen die Vernichtung Israels gefordert wurde - im Gegensatz zur Hamas, die allenfalls bereit ist, temporäre Waffenruhen zu akzeptieren. In der Gründungscharta der Hamas von 1988 taucht immer wieder die Aufforderung zum Dschihad auf, also zum heiligen Krieg. Und der muss, so zitiert das Programm religiöse Schriften, auch wirklich mit Gewalt geführt werden.
Die Hamas lehnt Israel als illegitime Besatzungsmacht ab. Zudem gilt ihre Charta als dezidiert antisemitisch. So heißt es darin, Juden kontrollierten weltweit die wichtigsten Medien und hätten fast alle großen Revolutionen angezettelt. Damit wird auf die antisemitische Idee von der jüdischen Weltverschwörung angespielt.
Ganz explizit verweist die Charta auf die Protokolle der Weisen von Zion, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Umlauf kamen und diese Verschwörung zu belegen schienen. Dabei ist schon seit den 1920er Jahren bekannt, dass die Protokolle nicht echt sind. Es ist allerdings unklar, wie groß die Rolle ist, die das Grundsatzprogramm im Alltag der Organisation wirklich spielt.
Auch Hamas und Fatah bekämpfen sich
Dass die Hamas bis heute ganz auf Konfrontation mit Israel setzt, belastet auch das Verhältnis von Fatah und Hamas. Nach den Wahlen 2006 wurde daraus sogar ein blutiger Konflikt. Die Fatah erkannte den Wahlsieg der Hamas nicht an. Auch der Versuch, eine Einheitsregierung zu bilden, scheiterte.
Die Folge war eine monatelange Auseinandersetzung mit mehr als hundert Toten. Viele Fatah-Anhänger flohen im Sommer 2007 aus Gaza. Seither sind die palästinensischen Autonomiegebiete faktisch geteilt: in einen von der Hamas regierten Gazastreifen und in von der Fatah kontrollierte Autonomiegebiete im Westjordanland.
Erst 2011 näherten sich die beiden Organisationen wieder an. In einem Versöhnungsabkommen vereinbarten sie, eine gemeinsame Übergangsregierung zu bilden und neue Wahlen abzuhalten, die jedoch bis heute nicht zustande gekommen sind.
Durch die neuerliche Eskalation dürfte das Ziel in noch weitere Ferne gerückt sein.