Süddeutsche Zeitung

Gaza-Streifen:Frieden in Gefahr

Ein außergewöhnlicher Termin: Der Chef der radikalislamischen Hamas, Ismail Hanija, hat ausländische Journalisten zum Gespräch geladen. Die meisten Fragen gehen in eine Richtung: Hält die Feuerpause in Gaza? Hanija ist skeptisch.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Gaza

Auf jede Frage antwortet er ausführlich: Der Chef der radikalislamischen Hamas, Ismail Hanija, hat erstmals ausländische Journalisten zu einem Gespräch geladen, es findet in einem Hotel in Gaza statt. Auf den Tischen, an denen die rund zwei Dutzend Journalisten und einige Hamas-Mitarbeiter Platz genommen haben, steht sogar Blumenschmuck. Hanija sitzt auf einem Podium, flankiert von palästinensischen Fahnen und zwei Bodyguards.

Die meisten Fragen drehen sich um den Waffenstillstand, der seit 8. Mai hält. Unter der Vermittlung Ägyptens, Katars und der Vereinten Nationen war nach dem heftigsten Raketenbeschuss auf Israel seit dem Ende des Gazakriegs 2014 und den folgenden Vergeltungsangriffen eine Verständigung erzielt worden. Hanija wirft Israel aber vor, Vereinbarungen nicht umzusetzen. Die erreichten Verständigungen seien "in Gefahr".

Von israelischer Seite gibt es keine Bestätigung über eine Vereinbarung, denn offiziell lässt sie sich nicht auf Verhandlungen mit der Hamas ein. Aber inoffiziell heißt es, Restriktionen würden gelockert, wenn es an der Grenze ruhig bleibe und keine Raketen auf Israel abgefeuert werden.

Laut Hanija ist Teil der Verständigung, dass zwei Industriezonen, eine neue Stromleitung und ein Krankenhaus eingerichtet werden. Die Menschen im Gazastreifen würden bisher keine Verbesserungen spüren. Er wirft Israel die wiederholte Einschränkung der Fischereizone vor der Küstenenklave vor. Israel rechtfertigt dies damit, dass mit brennbarer Flüssigkeit gefüllte Ballons über die Grenze Israel geschickt werden - für Hanija sind sie "ein legitimes Protestmittel" gegen Israels Politik der Blockade und die Besetzung. Seinen Angaben zufolge sind die geplanten Wahlen am 17. September in Israel auch ein Hemmnis, um eine längerfristige Vereinbarung zu erzielen.

Ein weiteres Thema ist die von den USA organisierte Konferenz in Bahrain, bei der nächste Woche Investitionen für die Palästinenser gesammelt werden sollen. "Wir verkaufen unsere Prinzipien und unsere Heimat nicht für Geld", sagte Hanija. Bei der von den USA als "Workshop" titulierten Konferenz sollen arabische Staaten bis zu 68 Milliarden US-Dollar spenden. Dies soll der erste Teil des Nahostfriedensplans der USA sein. Dem Vernehmen nach wollen die USA den Palästinensern zu einem späteren Zeitpunkt vorschlagen, auf jene Teile des Westjordanlandes zu verzichten, auf denen jüdische Siedlungen stehen.

Geld für Projekte lehnt Hanija nicht generell ab, sie dürften nur nicht an Bedingungen geknüpft sein. "Jeder, der ein Projekt im Gazastreifen umsetzen will, ist willkommen", versichert er. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dort sind groß. Israel, das wie Ägypten die Einfuhren kontrolliert, lässt seit mehreren Monaten regelmäßig Geldtransfers aus Katar zu. Katar will den Gazastreifen mit rund 180 Millionen Dollar unterstützen. Zuletzt wurden rund 60 000 Familien mit je hundert Dollar unterstützt. Wegen des Streits mit der Hamas hat der palästinensische Präsident Mahmud Abbas Rechnungen für Stromlieferungen nicht bezahlt. Hanija lud ihn nun zu Gesprächen in den Gazastreifen ein.

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Quelle:
SZ vom 22.06.2019
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