Gaza-Konflikt:Schwierige Suche nach dem ehrlichen Makler

UN Secretary General Ban Ki Moon in Qatar

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der Außenminister Katars, Khalid al-Attiyah, am Sonntag in Doha

(Foto: dpa)

Wer vermittelt in der Gaza-Krise? Neben dem militärischen Schlachtfeld tobt ein diplomatischer Kampf. Die Fronten sind verhärtet: Die Hamas wehrt sich gegen Ägypten als Vermittler - Israel wiederum lehnt die Türkei und Katar ab. Im Hintergrund lauert Iran.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Ban Ki Moon geht auf Reisen. Der freundliche UN-Generalsekretär ist am Sonntag zu einer Friedensmission in den Nahen Osten aufgebrochen, die ihn nach Doha, Kuwait, Kairo, Jerusalem, Ramallah und Amann führen wird.

Die unmittelbare Kampfzone rund um den Gazastreifen bleibt ihm dabei erspart, doch auf gefahrvolle Konfrontationen muss er sich trotzdem einstellen. Denn jenseits des militärischen Schlachtfelds werden in diesen Tagen auch noch heftige diplomatische Gefechte geführt. Voll entbrannt ist ein Kampf darum, wer in diesem Krieg den Frieden vermitteln soll.

Auf der einen Seite steht Ägypten, der klassische Makler zwischen Israel und den Palästinensern. Auf der andern Seite haben sich Katar und die Türkei positioniert, jeweils mit guten Verbindungen zur Hamas. Beide Vermittlungsparteien haben ausgeprägte eigene Interessen, und einfacher wird das Geschäft gewiss nicht dadurch, dass im Hintergrund auch noch Iran lauert, das bei Bedarf über den im Gazastreifen erheblich erstarkten Islamischen Dschihad ein paar Hürden auf dem Weg zur Waffenruhe aufbauen könnte.

Hamas-Feinde, Hamas-Freunde

Israel setzt ausschließlich auf die Ägypter, dies sei "die einzige Option", erklärte der einflussreiche Chefstratege des Verteidigungsministeriums, Amos Gilad, in einem TV-Interview. Schließlich hatte schon im Gaza-Krieg 2008/09 der damalige Präsident Hosni Mubarak den Waffenstillstand vermittelt; im November 2012 war es der Muslimbruder Mohammed Mursi - und nun wäre als Dritter der neue Präsident Abdel Fattah al-Sisi an der Reihe. Das Problem ist allerdings, dass die Hamas als Anhängsel der Muslimbrüder in Kairo mittlerweile als feindliche Organisation gilt. Und das spiegelte sich wohl auch in dem vorige Woche gestarteten ersten Anlauf zur Waffenruhe allzu deutlich wider.

Gaza-Konflikt: Im Angesicht der Zerstörung: Ein palästinensischer Junge steht nach einem israelischen Angriff in den Trümmern eines Hauses in Beit Lahiya.

Im Angesicht der Zerstörung: Ein palästinensischer Junge steht nach einem israelischen Angriff in den Trümmern eines Hauses in Beit Lahiya.

(Foto: Lefteris Pitarakis/AP)

Von Beginn an war dieses Vorhaben eng mit der israelischen Seite abgestimmt, inklusive eines direkten Telefonats von Präsident Sisi mit Israels Premier Benjamin Netanjahu. Als Folge hatte Israel auch kein Problem, dem ägyptischen Vorschlag zum internationalen Wohlgefallen sofort zuzustimmen. Die Hamas dagegen lehnte umgehend ab, unter anderem mit dem Hinweis darauf, sie habe davon nur durch die Medien erfahren. Dies stimmt sicher nicht, schließlich ist die Organisation in Kairo mit dem Vize-Chef ihres Exilbüros, Mussa Abu Marzuk, vertreten. Der wahre Grund ist, dass die Hamas befürchtet, auf diesem Weg keine ihrer Forderungen durchzubringen. Denn vorgesehen war im Kairoer Plan, dass erst einmal die Waffen schweigen und dann alles Weitere besprochen werden solle.

In dieser durchaus misslichen Lage eilten die Katarer zur Hilfe, die ohnehin stets darauf lauern, ihre nahöstliche Rolle aufzuwerten. Katar beherbergt auch den Exil-Chef der Hamas, Khaled Maschal, seitdem der seinen Sitz in Damaskus wegen des Bürgerkriegs räumen musste. Und Maschal gilt überdies als Männerfreund des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan, der allzu gern mitmischt in den nahöstlichen Händeln.

Antiisraelische Demonstrationen in der Türkei

Die Achse der Hamas-Freunde also will darauf dringen, dass Kernforderungen der Islamisten in einem Waffenstillstands-Abkommen gewahrt werden. Über arabische Medien wurde bereits ein Vorschlag lanciert. Ganz oben steht dabei ein Ende der Doppelblockade des Gazastreifens durch eine Öffnung der Grenzübergänge nach Israel und Ägypten. Überdies sollen all jene Gefangenen freigelassen werden, die Israel in den vergangenen Wochen im Westjordanland festgenommen hat.

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Die Fronten zwischen den Vermittlern aber sind fast genauso verhärtet wie zwischen den Kampfparteien. Israelische Medien berichten, dass die Regierung in Jerusalem gemeinsam mit Ägypten die USA aufgefordert hat, die klare Botschaft nach Katar und in die Türkei zu senden, dass keine solche Nebenvermittlung erwünscht sei. Überdies katapultiert sich der türkische Premier zunehmend selbst aus der möglichen Vermittlerrolle durch immer wütendere Angriffe gegen Israel. "Jene, die Hitler Tag und Nacht verurteilen, haben Hitler in Sachen Barbarei übertroffen", sagte er am Wochenende.

Zuvor schon hatte er Israel einen "Völkermord" im Gazastreifen vorgeworfen. Anschließend kam es in mehreren türkischen Städten zu antiisraelischen Demonstrationen, die so heftig gerieten, dass das Jerusalemer Außenministerium die Familien seiner Diplomaten ausflog und eine Reisewarnung erließ.

Die Kunst der Diplomatie dürfte nun darin bestehen, Erdoğan in die Schranken zu weisen und die Ägypter und Katarer zusammenzubringen. Deshalb wählte der UN-Generalsekretär wohl Doha als erste Station seiner Friedensreise. Dort nannte Ban die israelische Militäroffensive am Sonntagabend eine "scheußliche Tat". Die Gewalt müsse aufhören. Ban wird anschließend nach Kairo fliegen. Auch Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas ist nach Katar gereist, um dort mit Hamas-Chef Maschal zu sprechen. US-Präsident Barack Obama billigte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag erneut das Recht auf Selbstverteidigung im Konflikt mit der Hamas zu.

Doch zugleich äußerte er bei einem Telefonat "ernste Besorgnis" über die wachsende Zahl von Opfern. Wie es weiter hieß, informierte Obama Netanjahu darüber, dass US-Außenminister John Kerry bald nach Kairo reisen werde, um eine Feuerpause zu erreichen. Nach israelischen Berichten wird Kerry bereits am Montag in der Region erwartet. Vieles hängt in der Luft im Nahen Osten - aber immerhin sind auch viele in der Luft, um zu verhandeln.

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