Krieg im Gazastreifen:Dutzende Tote nach Angriff auf Schule

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Die getroffene Schule in Nuseirat im Gazastreifen. Israels Armee sagt, zweimal sei der Angriff verschoben worden. (Foto: ABED KHALED/REUTERS)

Während Israel angibt, viele Hamas-Kämpfer getötet zu haben, beklagen die Palästinenser zahlreiche zivile Opfer. Premier Netanjahu warnt die Hisbollah, Israel werde den täglichen Angriffen aus Libanon „nicht tatenlos“ zusehen.

Von Matthias Kolb

Bei einem israelischen Luftangriff auf eine Schule in Nuseirat im Gazastreifen sind nach Angaben des Hilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) 35 bis 45 Menschen getötet worden. Die genaue Zahl sei noch unbekannt, sagt UNRWA-Kommunikationsdirektorin Juliette Touma der Nachrichtenagentur Reuters. Das israelische Militär gibt an, dass sich dort 20 bis 30 Kämpfer der radikalislamischen Terrororganisation Hamas sowie des Palästinensischen Islamischen Dschihads befunden hätten. Viele seien getötet worden; einige seien am 7. Oktober 2023 an dem Überfall beteiligt gewesen, als etwa 1200 Israelis von den Islamisten getötet und mehr als 240 als Geiseln genommen wurden.

Armeesprecher Peter Lerner teilte am Donnerstag mit, die Schule sei in den vergangenen Tagen beobachtet und der Angriff zweimal verschoben worden, um zivile Opfer zu vermeiden. Das Militär habe gegenwärtig keine Kenntnisse über mögliche zivile Opfer. Die Hamas sprach von einem „Massaker“. Aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen hieß es nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur, mindestens 30 Menschen seien getötet worden – die meisten von ihnen Frauen, Kinder und Jugendliche. In dem bombardierten Gebäude hätten auch Vertriebene Schutz gesucht. Die widersprüchlichen Aussagen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Israel warnt die libanesische Hisbollah

Gleichzeitig nimmt Israel die Lage im Norden des Landes, also an der Grenze zu Libanon, stärker in den Blick – und es nehmen die Forderungen nach einer größeren Militäraktion zu. Seit dem 8. Oktober kommt es täglich zu militärischen Auseinandersetzungen mit der proiranischen Hisbollah und anderen Milizen. 60 000 Israelis wurden aus dem Grenzstreifen in Sicherheit gebracht; auch Zehntausende Libanesen mussten ihre Heimat verlassen.

Israels Premier Benjamin Netanjahu sagte am Mittwoch bei einem Besuch der Region, man sei „auf sehr starke Aktionen im Norden“ vorbereitet und werde dort „auf die eine oder andere Weise“ die Sicherheit wiederherstellen. „Wer denkt, er könne uns Schaden zufügen und wir würden tatenlos zusehen, macht einen großen Fehler“, warnte er.

Ähnlich äußerte sich Präsident Isaac Herzog: „Die Welt muss aufwachen und verstehen, dass Israel keine andere Wahl hat, als seine Bürger zu beschützen.“ Niemand solle überrascht sein, wenn dies bald geschehe. Zuvor hatte bereits Generalstabschef Herzi Halevi erklärt, dass „sich der Zeitpunkt nähere, an dem eine Entscheidung getroffen werden“ müsse und die Armee bereit sei.

Die Hisbollah-Miliz setzt seit Wochen mit Sprengstoff beladene Drohnen ein, die immensen Schaden anrichten und zuletzt Waldbrände auslösten. Am Mittwoch gelangten zwei Drohnen mehrere Kilometer tief in israelisches Gebiet, ohne dass Luftalarm ausgelöst wurde, und verwundeten elf Zivilisten in Hurfesch. Der Zeitung Maariv zufolge feuerte die zweite Drohne ihre Ladung erst ab, als Sanitäter die Verwundeten versorgten. Auch ein israelischer Soldat wurde getötet. Laut der Zeitung Yedith Achronoth nutzt die Hisbollah, die ohnehin militärisch viel stärker ist als Hamas, die Angriffe auf Nordisrael, um mit ihren Waffen zu experimentieren und sie für eine größere Auseinandersetzung mit Israel zu testen.

Viele Staaten fordern Hamas zu Waffenruhe auf

Unterdessen fordern die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich die Hamas dazu auf, den jüngsten Vorschlag für eine Waffenruhe im Gazastreifen zu akzeptieren. „Das ist ein entscheidender Moment“, heißt es in der Erklärung, die auch von Spanien, Kanada, Argentinien, Österreich, Brasilien, Bulgarien, Kolumbien, Dänemark, Polen, Portugal, Rumänien, Serbien und Thailand unterzeichnet ist.

„Wir fordern die Führung von Israel und die Hamas auf, mit allen Mitteln einen Kompromiss zu finden, um dieses Abkommen abzuschließen“, heißt es darin. Der Vorschlag für die mindestens sechswöchige Waffenruhe, die mit einer Freilassung von israelischen Geiseln im Austausch für palästinensische Häftlinge einhergehen soll, war vergangene Woche von US-Präsident Joe Biden unterbreitet worden.

In der Nacht auf Donnerstag meldete Reuters, dass die Hamas den Vorschlag ablehne. Man werde sich aber „ernsthaft und positiv mit jeder Vereinbarung befassen, die auf einem vollständigen Ende der Aggression, einem vollständigen Rückzug Israels und einem Gefangenenaustausch“ basiere, so Ismail Hanija, der in Katar residierende Chef des Hamas-Politbüros. Die internationalen Verhandlungen gingen dennoch weiter, allerdings ohne Aussicht auf einen „Durchbruch“, wie es von ägyptischer Seite hieß.

Ohne Eile agiert unterdessen Israels Premier Netanjahu. Während seine rechtsextremen Koalitionspartner im Falle eines Deals die Regierung verlassen wollen, signalisierten die ultraorthodoxen Parteien Vereinigtes Thora-Judentum und Schas Unterstützung. Dass viele aus seiner eigenen Likud-Partei schweigen, wertet die linksliberale Zeitung Haaretz als Beleg dafür, dass sich Netanjahu wie so oft möglichst viele Optionen offenhalten will.

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