Gaza:Das große Versagen

Die Lage der Menschen im Gazastreifen ist katastrophal. Europa steht in der Pflicht, die Not zu lindern.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Die Lage im Gazastreifen ist dramatisch. Es gibt nur wenige Stunden Strom am Tag, das Leitungswasser ist nicht trinkbar, Abwasser verunreinigen das Meer, Lebensmittel und Medikamente fehlen. Wenn nun auch das UN-Hilfswerk UNRWA seine Leistungen aufgrund ausgebliebener Zahlungen reduzieren muss, ist die Katastrophe absehbar - es droht eine Hungersnot. Schon jetzt sind 1,2 der rund zwei Millionen Palästinenser auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Und ob die Schulen nach der Sommerpause wieder öffnen, ist noch nicht gesichert. Es wird höchste Zeit, dass alle in den Konflikt verwickelten Akteure Verantwortung übernehmen und den Palästinensern ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.

Die Frage nach der Schuld ist schwer zu klären. Die radikalislamische Hamas hat sich in den vergangenen zehn Jahren als unfähig erwiesen, die Regierungsgeschäfte zu führen, auch deshalb hat die ökonomische Krise ein bisher nicht bekanntes Ausmaß erreicht. Entscheidend dazu beigetragen hat aber auch die Blockade der Grenzen sowie des See- und Luftraums durch die Israelis. Seit Ägypten den Grenzübergang Rafah geschlossen hat, ist der Küstenstreifen von der Außenwelt abgeschnitten. Die Bewohner haben das Gefühl, von allen verlassen zu sein. Nun hat US-Präsident Donald Trump als eine Art Kollektivstrafe gegen die Palästinenser auch noch Hilfsgelder gesperrt. Dabei geht es in Gaza doch längst nicht mehr um die Frage, wer im palästinensisch-israelischen Konflikt siegt - es geht um den Umgang mit Menschen und deren Rechten.

Zumindest im politischen Hintergrund setzt sich langsam die Einsicht durch, dass etwas getan werden muss, um das Leid zu mindern. Die Israelis haben einen schon länger ausgearbeiteten Vorschlag erneuert und Zypern um Hilfe gebeten. Dort soll ein Hafen errichtet werden, um rascher Güter in den Gazastreifen bringen zu können. Die Israelis sollen zugesagt haben, eine Solaranlage zur Stromerzeugung beim Grenzübergang Eres zu errichten. Die US-Nahost-Emissäre Jared Kushner und Jason Greenblatt versuchen angeblich, die Golfstaaten zu überzeugen, Mittel für den Wiederaufbau des weitgehend aus Ruinen bestehenden Gazastreifens zur Verfügung zu stellen.

Es gibt Bewegung, auch wenn noch nicht klar ist, welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Ägypten verhandelt mit Hamas-Vertretern über eine häufigere Öffnung des Grenzübergangs und die Einrichtung einer Handelszone auf der Sinai-Halbinsel. Die Hamas wiederum soll zu direkten oder indirekten Gesprächen mit Israel und den USA bereit sein - das aber ruft Kritik von Palästinenserpräsident Abbas hervor, der mit der Hamas verfeindet ist. Und die Auseinandersetzungen entlang der Grenze mit Raketenbeschuss auf Israel und Luftangriffen im Gazastreifen als Vergeltung verschlimmern die Lage täglich. Wenn nun Lösungen jenseits der üblichen Eskalationsmuster gesucht werden, ist das zumindest ein Hoffnungsschimmer.

Die Europäer haben sich in den vergangenen Jahren zurückgelehnt und diese Region in unmittelbarer Nachbarschaft anderen überlassen, vor allem den USA. Das rächt sich jetzt unter Donald Trump, der sich mit der Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt auf die Seite Israels geschlagen hat. Auch die EU-Staaten tragen also durch ihr Wegschauen eine Mitschuld an der Misere. Umso mehr sind sie verpflichtet, den Menschen in Gaza zu helfen.

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