Gaza:Aufbau Nahost

Gaza: Israelische Soldaten in der Nähe des Gazastreifens.

Israelische Soldaten in der Nähe des Gazastreifens.

(Foto: AFP)

In Nahost sind in der Regel die Pessimisten die Realisten. Wenn sich hier etwas verändert, dann doch meist zum Schlechteren. Wer sich aber in all der routinierten Düsternis eine andere Sichtweise erlaubt, der kann tatsächlich ein paar Indizien dafür entdecken, dass die Zeit reif ist für einen Wandel.

Kommentar von Peter Münch

Wer im Gazastreifen die Muße hat für einen Museumsbesuch, der kann im Al-Mathaf-Hotel vorbeischauen. Präsentiert werden hier in staubigen Glasvitrinen die Schätze einer Zeit, als das Küstengebiet noch zu den großen Handelszentren der Antike zählte. Tempora mutantur - der Reichtum der Philister ist längst vergangen, und wer heute von Gaza spricht, der redet von Elend, Krieg und Tod.

Der palästinensische Küstenstreifen ist zu einer Chiffre geworden für einen scheinbar unauflöslichen Konflikt. Seit Jahrzehnten schon wird dieser kleine Fetzen Land zwischen den Mächten hin- und hergeworfen, mal von Ägypten verwaltet, mal von Israel besetzt. Und es gehört gewiss zu den bitteren Paradoxien der Weltpolitik, dass niemand die Verantwortung übernehmen will für ein Gebiet, das trotzdem ständig umkämpft ist.

Der Krieg wird keinen Frieden bringen - Wirtschaftshilfe schon

Um diesen Kreislauf der Katastrophen zu durchbrechen, braucht es nicht nur gewaltige Anstrengungen, nicht nur Kraft und guten Willen und Glück. Es muss der richtige Zeitpunkt abgepasst werden. Die Frage lautet also, ob für Gaza dieser Zeitpunkt jetzt gekommen sein könnte. Natürlich lehrt die Erfahrung in Nahost, dass in der Regel die Pessimisten die Realisten sind. Wenn sich hier etwas verändert, dann doch meist zum Schlechteren.

Auch jetzt wieder fehlt es nicht an Horrorszenarien für die Zeit nach dem Krieg, zumal die Brutalität der Kämpfe reichlich Anlass gibt zu neuem Hass. Doch wer sich in all der routinierten Düsternis eine andere Sichtweise erlaubt, der kann tatsächlich ein paar Indizien dafür entdecken, dass die Zeit reif ist für einen Wandel.

Das gilt nicht nur deshalb, weil Kriege - bei allem Unheil, das sie anrichten - historisch gesehen immer auch einen Wendepunkt markieren können. Entscheidend ist, dass mittlerweile alle Akteure bekunden, dass es nach diesem verheerenden Waffengang keine Rückkehr mehr zu den alten Verhältnissen geben darf. Diese Verhältnisse sind schlicht unerträglich: Auf 360 Quadratkilometern ist der Gazastreifen ein Gefängnis für 1,8 Millionen Menschen. Es gibt gerade genug zu essen, um nicht zu sterben. Aber es gibt nicht genug, für das es sich zu leben lohnt - es gibt keine Perspektiven, keine Hoffnung.

Blockadepolitik endgültig gescheitert

Dieses Elend nährt den Extremismus, den kein noch so massiver Militäreinsatz je besiegen wird. Der Status quo ante also ist für die Menschen im Gazastreifen eine Tortur, für die Welt ist er ein Skandal und für Israel eine permanente oder zumindest periodische Bedrohung. Der Gazastreifen braucht Luft zum Atmen, und die Welt braucht einen Plan.

Die von Israel und Ägypten verhängte Blockadepolitik darf endgültig als gescheitert angesehen werden. An deren Stelle muss eine koordinierte internationale Anstrengung treten, die Israels Recht auf Ruhe vor Raketen ebenso garantiert wie das Recht der Menschen im Gazastreifen auf eine Lebensperspektive. Gesichert werden muss ein freier Import und Export von Waren, ohne dass dabei wieder Waffen ins Land kommen. Es braucht Freiheit - und Kontrolle.

Soweit zur Vision. Der Weg dorthin ist dornenreich. Eine Voraussetzung fürs Gelingen ist, dass die Außenwelt, die den Gazastreifen bislang geflissentlich ignoriert hat, für einen solchen Aufbauplan viel Aufmerksamkeit, viel Geld und auch viel Geduld investiert. Israel muss dabei besonders viel leisten: Das Land muss einen politischen Paradigmenwechsel vollziehen und einsehen, dass weder Abschreckung noch das Konzept des Teilens und Herrschens im Umgang mit den Palästinensern dauerhafte Sicherheit gewähren.

Wohlstand würde die Hamas schlagen

Auch eine Hamas auf dem Herrscherthron in Gaza ist bestimmt nicht der richtige Partner für die Umsetzung eines derart ambitionierten Plans. Ziel ist es ja, zusammen mit dem Elend auch den Extremismus zu bekämpfen und nicht, den Extremisten kräftig unter die Arme zu greifen.

Als Einziger wird dieses Problem Präsident Mahmud Abbas mit seiner bereits vor dem Krieg gebildeten Einheitsregierung lösen können. Bislang hat Israel diese Regierung bekämpft. Das war ein Fehler, der nun dringend korrigiert werden muss. Abbas muss der Ansprechpartner für alle Seiten werden, seinen moderaten Kräften würde dann auch in den Augen des Volkes der Dank dafür gebühren, wenn sich das Leben in Gaza bessert. Nicht Waffen, sondern Wohlstand würden die Hamas schlagen. Ein starker Abbas könnte auch den brachliegenden Friedensprozess wieder beleben.

All das sind Pläne im Konjunktiv. Bis jetzt hat sich noch nicht einmal der Staub der Kämpfe gelegt. Zum antiken Glanz wird Gaza wohl nie mehr finden. Doch zumindest in der jüngeren Zeit war die Chance noch nie so groß, der Geschichte wieder einmal eine positive Wende zu geben.

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