Süddeutsche Zeitung

Gaucks Worte zur Nominierung:"Ich bin überwältigt und ein wenig verwirrt"

Joachim Gauck war selbst noch baff, als er mit den Chefs von Union, SPD, Bündnisgrünen und FDP vor die Kameras trat. Er sprach über die wunderbaren Möglichkeiten in einem liebenswerten, "guten Land" - und verriet, dass ihn selbst die Ereignisse überraschten: "Ich bin noch nicht mal gewaschen."

im Wortlaut

Was die Parteivorsitzenden und ihr Kandidat sagten - im Wortlaut:

Joachim Gauck, designierter elfter Bundespräsident:

"Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren, die Sie mich nominiert haben, das ist natürlich für mich ein besonderer Tag, wie es in meinem Leben manche besondere Tage gegeben hat. Und am meisten bewegt es mich, dass ein Mensch, der noch geboren ist in diesem finsteren, dunklen Krieg und der 50 Jahre in der Diktatur aufgewachsen ist, und hier seine Arbeiten getan hat, nach der Wiedervereinigung, die Sie dankenswerterweise erwähnt haben, dass ein solcher Mensch jetzt an die Spitze des Staates gerufen wird.

Und natürlich könnte man mit seinen Defiziten jetzt ein bisschen hantieren und sagen, diese Vorschusslorbeeren, die ich jetzt gehört habe, die möchte ich erst mir verdienen. Aber was mir so unglaublich geholfen hat, ist, dass (an die Vertreter der fünf Parteien, die ihn nominiert haben) Sie sich zusammengefunden haben. Und Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben mir auch versichert, dass Sie auch in anderen Zeiten beständig Hochachtung und Zuneigung zu mir empfunden haben. Und das Wichtige daran ist, dass Sie mir Vertrauen entgegengebracht haben.

Von all den Dingen, die Sie heute gesagt haben und in die Sie Ihre Wünsche und Glückwünsche gekleidet haben, ist mir am Wichtigsten, dass die Menschen in diesem Land wieder lernen, dass sie in einem guten Land leben, das sie lieben können. Weil es ihnen die wunderbaren Möglichkeiten gibt, in einem erfüllten Leben Freiheit zu etwas und für etwas zu leben. Und diese Haltung nennen wir Verantwortung. Und dass Menschen auf den unterschiedlichsten Ebenen beruflich oder politisch wieder neu Vertrauen gewinnen müssen darin, dass sie Kräfte haben, die wir bei unseren Vorfahren gesehen haben, die uns aus Krisen herausgeführt haben. Und die wir uns selber manchmal nicht mehr zutrauen. Das ist für mich mit Händen zu greifen.

Ich kann Ihnen jetzt in der Verwirrung meiner Gefühle keine Grundsatzrede abliefern. Das ist unmöglich. Ich komme aus dem Flieger und war im Taxi, als die Frau Bundeskanzlerin mich erreicht hat. Und ich bin noch nicht mal gewaschen. (...) Das schadet auch nichts, dass Sie sehen, dass ich überwältigt und auch ein wenig verwirrt bin.

Aber eins weiß ich, dass die Nähe von Menschen, die Ja sagen zur Verantwortung, die es überall gibt in unserem Land, nicht nur auf der politischen Ebene, die wird meine Hauptaufgabe sein. Und dort will ich wirken, wo wir Menschen wieder neu einladen, diese Haltung von Verantwortung anzunehmen und nicht nur als Zuschauer und kritischer Begleiter der öffentlichen Dinge herumzustehen. Also, insofern wird sich meine (...) Tätigkeit als reisender Politiklehrer nicht grundsätzlich verändern.

Ich werde allerdings gestützt von einem Amt und einem Apparat und hoffentlich gestützt von Ihrer Hilfe weiter als ein solcher unterwegs sein. Und kann Sie nur bitten, die ersten Fehler gütig zu verzeihen und von mir nicht zu erwarten, dass ich ein Supermann und ein fehlerloser Mensch bin. Aber - wie wir alle wissen - kann man ganz gute Dinge auch machen, wenn man nicht von Engeln umgeben ist, sondern von Menschen.

So fühle ich mich eingeladen und geehrt und - ja irgendwann, ganz tief in der Nacht - werde ich vielleicht auch beglückt sein. Im Moment bin ich mehr verwirrt."

Angela Merkel, Kanzlerin und CDU-Vorsitzende:

"Am vergangenen Freitag habe ich gesagt, dass es in dieser Situation unser gemeinsames Ziel ist, und auch mein Ziel ist, dass CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten für die Bundesrepublik Deutschland vorschlagen. Nach intensiven Überlegungen und Abwägungen verschiedener Vorschläge und möglicher Persönlichkeiten sind wir heute zu dem Ergebnis gekommen: Dieser gemeinsame Kandidat ist der Bürgerrechtler und frühere Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck. Ihn schlagen wir deshalb hiermit als nächsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland vor.

Das zentrale Thema des öffentlichen Wirkens von Joachim Gauck ist die Idee der Freiheit in Verantwortung, und das ist es auch, was mich ganz persönlich bei aller Verschiedenheit mit Joachim Gauck verbindet. Denn wir beide haben einen Teil unseren Lebens in der DDR gelebt und unsere Sehnsucht nach Freiheit hat sich 1989/90 erfüllt. Als Pfarrer in Mecklenburg-Vorpommern hat Joachim Gauck sich mutig zu Menschensrechts- und Umweltfragen in der DDR geäußert. Vergessen wir nicht, dass es Kirchenmänner wie Joachim Gauck waren, die viel dazu beitragen haben, dass 1989 eine friedliche Revolution gelingen konnte. Und daraus ergab sich für Joachim Gauck der Weg von der Kirche zur Politik fast von alleine. Er wurde erster Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Und bis heute leitet ihn dabei ein Gedanke, und das ist der Kampf gegen das Vergessen, die Erinnerung an die DDR und das Unrechtssystem wach zu halten.

Ein wahrer Demokratielehrer geworden zu sein - das zeichnet ihn bis heute aus. Ich bin sicher, dieser Mann kann uns wichtige Impulse geben für die Herausforderung unserer Zeit und der Zukunft, die Globalisierung, die europäische und internationale Staatsschuldenkrise, die Energiewende, die innere und äußere Sicherheit und nicht zuletzt das immer wieder neu zu schaffende Vertrauen in die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung."

Philipp Rösler, Vizekanzler und FDP-Vorsitzender:

"Es ist in der Tat ein guter Anfang, dass wir parteiübergreifend einen so guten Kandidaten gefunden haben für das Amt des Bundespräsidenten. Heute Morgen hatte ich klar festgehalten, dass es das Ziel ist, nach der Vorgeschichte auch einen Kandidaten zu finden, der in der Lage ist, verloren gegangenes Vertrauen und verloren gegangene Würde wieder in das höchste Staatsamt zurückzubringen. Und ich glaube, es ist unbestritten, dass dies für Joachim Gauck selber gilt. (...)

Wenn Joachim Gauck dann berichtet, wie er 50 Jahre darauf warten musste, (...) 50 Jahre auf die erste freie Wahl und wie er das empfunden hat, ich glaube, wenn man das einmal gehört hat, dann fühlt man sich bestätigt, dass Joachim Gauck eine Persönlichkeit ist, die nicht nur die fünf oder sechs Leute im kleinen Kreis begeistern kann, sondern die Menschen wieder mehr begeistern kann für die Demokratie durch seine Persönlichkeit eben, durch seine Autorität.

Und das Ziel, wieder dem höchsten Staatsamt (...) wieder die Autorität zu verleihen, das wird mit Sicherheit erreicht werden. Ein guter Kandidat und wir gehen davon aus und sind fest davon aus, es wird auch ein guter Bundespräsident für uns werden."

Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender:

"(Ich will) deutlich sagen, dass ich das Bemühen der Koalition aus CDU, CSU und FDP, zu einem gemeinsamen Kandidaten zu kommen, ausdrücklich schätze und wertschätze. Und mich auch dafür bedanke. Das waren in den letzten Tagen offene und faire Gespräche. (...) Und dass am Ende wir auch zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen sind, das ist, (...) natürlich ein gutes Zeichen auch in unsere Bevölkerung hinein. (...)

Ich habe in guter Erinnerung seine vielleicht für manche sehr pathetisch anmutenden Reden zur Freiheit. Aber bei ihm ist es eben kein hohles Pathos. Sondern wenn er von der Schönheit der Freiheit spricht, dann erinnert man sich ja manchmal ein bisschen beschämt daran, wie wenig das in unserem Alltag, weil wir es als normal empfinden, noch gewertschätzt wird. Und dass der Kampf um Demokratie und Freiheit keinen Schaukelstuhl kennt, sondern dass man diese Wertschätzung aufrechterhalten muss, daran, finde ich, hat er in vielen Reden wie kein Zweiter erinnert. (...)

Er gehört zu denjenigen, die um die Schwierigkeiten der parlamentarischen Demokratie, der Parteien und der Institutionen wissen, den Kontakt und das Vertrauen der Bevölkerung zu erringen. (...) Ich glaube, er wird helfen, diese Kluft zwischen Bevölkerung und den Institutionen der Demokratie und den Parteien auch wieder zu schließen. (...) Wir danken Joachim Gauck auch dafür, dass er durchgehalten hat und sich ein zweites Mal in diese schwierigen Gespräche von Parteien und Politikern über seine Person hat eingelassen."

Claudia Roth, Vorsitzende der Grünen:

"Joachim Gauck ist jemand, der der Demokratie wieder Glanz verleihen kann, der die Demokratie als etwas ganz Modernes darstellen kann. Und gerade in Zeiten von rechtsterroristischen Netzwerken glaube ich, ist es um so wichtiger, dass mit Joachim Gauck jemand Präsident werden kann in unserem Land, der Demokratie als das Erreichbare und das Notwendige für das Zusammenleben attraktiv machen kann. Er ist ein Mann (...), der den Dialog liebt, also auch einen anderen politischen Stil als Präsident ausüben kann. Und ganz sicher hat er die Leidenschaft an der politischen und gesellschaftspolitischen Kontroverse. (...)

Er kann dem gesprochenen Wort einen ganz wunderbaren Glanz geben, er kann Worte zum Klingen bringen. Und das zeichnet ihn aus. Und das ist auch etwas, was eine Primärtugend sein sollte eines Bundespräsidenten. Er wird diesem Amt (...) wieder Respekt geben, Würde. Er wird das sein, was ein Bundespräsident in unserem Land (...) sein sollte, er (...) braucht moralische Autorität, und ich bin überzeugt, dass genau das Joachim Gauck auszeichnen wird, neben seiner großen Unabhängigkeit, die ihn auch prädestiniert für das Amt des Bundespräsidenten. (...)

Aus unserer Sicht ist es ein wichtiges, ein notwendiges, ein gutes Signal, dass wir es geschafft haben, einen gemeinsamen Kandidaten zu benennen. Nach den Ereignissen der letzten Wochen, in denen dieses hohe Amt durchaus Schaden erlitten hat, hat es eine große Bedeutung, dass man sich nicht im parteipolitischen Geschacher verzettelt (...)."

Cem Özdemir, Vorsitzender der Grünen:

"Herr Gauck ist ein authentischer Bürger dieser Republik. (...) Der 18. März (der Tag der Bundesversammlung) ist auch eine Tag für eine Chance für einen Neubeginn in dieser Republik, für einen Neubeginn, wo Menschen, die unterschiedliche Parteien wählen, aber auch Menschen, die unterschiedlicher Herkunft sind, zusammen, gemeinsam ihren Bundespräsidenten wählen können."

Horst Seehofer, Vorsitzender der CSU:

"Die CSU spricht mit einer Stimme. Wir waren von Anfang an auf die Lösung Konsens orientiert. (...) Ich denke, die Entscheidung, die heute für Joachim Gauck gefallen ist, ist eine gute Entscheidung für unser Land. Joachim Gauck gehört zu den wenigen deutschen Politikern, die auch schon in Kreuth waren. Und ich denke, Kreuth (...) ist ein gutes Rüstzeug für das sehr verantwortungsvolle Amt, das Sie jetzt übernehmen werden. Sie haben das Vertrauen der CSU und das Vertrauen der Bayern."

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