Bundespräsident Gauck zum Jahrestag des NSU-Anschlags in Köln:"Ein Land, in dem wir ohne Angst verschieden sein können"

Cologne Keupstrasse Bombing Tenth Anniversary

"Ein Land, in dem wir ohne Angst verschieden sein können": Bundespräsident Joachim Gauck zusammen mit Meral Sahin, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstraße.

(Foto: Getty Images)

Auf einer Kundgebung zum zehnten Jahrestag des NSU-Bombenanschlags in Köln findet Bundespräsident Joachim Gauck scharfe Worte gegen Rechtsextremismus - und fordert zu mehr Zivilcourage auf. Bundesjustizminister Maas äußert sich beschämt über die Ermittlungspannen nach den NSU-Verbrechen .

Bundespräsident Joachim Gauck hat am zehnten Jahrestag des Kölner Nagelbombenanschlags alle Demokraten dazu aufgerufen, gegen fremdenfeindliche Gewalt zusammenzustehen. Zum Auftakt einer Kundgebung in der Nähe des Anschlagsorts erinnerte Gauck vor mehreren zehntausend Besuchern an den Terror der Neonazi-Zelle NSU und sagte: "Mehr als zehn Jahre lang haben die Mitglieder einer rechtsextremistischen Bande unerkannt rauben, morden und Anschläge wie den in der Keupstraße tätigen können."

Köln beantworte den Hass der Wenigen mit dem Mitgefühl und der Solidarität der Vielen. "Heute stehen wir zusammen", sagte Gauck. Es gehe um ein "Land, in dem wir ohne Angst verschieden sein können". Jeder könne und müsse dazu im Alltag seinen Beitrag leisten. "Wir zeigen, wie wir in unserem Land leben wollen: respektvoll und friedlich. Wir sind verschieden. Aber wir gehören zusammen. Und wir stehen zusammen, um allen, die von fremdenfeindlicher Gewalt bedroht sind, zu sagen: Ihr seid nicht allein", sagte der Bundespräsident.

Justizminister Maas sagt, er schäme sich

Am 9. Juni 2004 war in der überwiegend von Migranten bewohnten Keupstraße in Köln-Mülheim eine Nagelbombe explodiert. 22 Menschen wurden verletzt, manche lebensgefährlich. Die Polizei glaubte lange nicht an einen rechtsextremen Hintergrund. Erst Ende 2011 wurde deutlich, dass die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wohl auch für diesen Anschlag verantwortlich gewesen sind.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich beschämt über das Behördenversagen bei den Ermittlungen zur Verbrechensserie des NSU. "Ich schäme mich dafür, dass der deutsche Staat es nicht geschafft hat über so viele Jahre, dass unbescholtene Bürger besser geschützt wurden", sagte Maas auf einer Podiumsdiskussion in Köln.

Zurückhaltend äußerte sich Maas allerdings zu Forderungen, den NSU-Komplex durch einen weiteren Untersuchungsausschuss des Bundestages auszuleuchten. Die Politik sei derzeit dabei, die Empfehlungen des U-Ausschusses aus der abgelaufenen Legislaturperiode abzuarbeiten, sagte der Bundesjustizminister. Er wolle nicht sagen, dass es derzeit im Bundestag die "unbedingte Notwendigkeit" gebe, den U-Ausschuss neu aufzulegen.

Grünen-Parteichef Cem Özdemir nannte es in Berlin es "einen Skandal, dass die Hintergründe der NSU-Verbrechen nach wie vor nicht restlos aufgeklärt sind". Der Anstand gegenüber den Opfern gebiete es, Konsequenzen aus den zahlreichen Ermittlungspannen zu ziehen. Özdemir verlangte insbesondere erneut einen "radikalen Schnitt" beim Bundesamt für Verfassungsschutz "in personeller und struktureller Hinsicht."

Zum Gedenken an den Anschlag vor zehn Jahren feiert Köln seit Samstag ein Fest unter dem Motto "Birlikte - Zusammenstehen". An der Abschlusskundgebung am Montagnachmittag und -abend wollten sich unter anderem Udo Lindenberg, Wolfgang Niedecken und Peter Maffay beteiligen.

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